Gesetzesvorlage:Streit ums Blei

Die EU will Jägern die Verwendung von Bleischrot in Feuchtgebieten verbieten. Der Kreisjagdverband hält die geplante Regelung in einigen Punkten für unausgegoren

Von Thomas Daller, Erding

Blei ist ungesund für Mensch und Tier. Schon seit 1878 sind Bleirohre in Bayern als Trinkwasserleitungen verboten. Farben, Stifte und Benzin sind längst bleifrei. Auch die Jagd mit Bleischrot an Gewässern ist in allen Bundesländern bis auf Bremen und Hamburg ohnehin nicht erlaubt. Im Laufe dieser Woche will das EU- Parlament die Verwendung von Blei in Schrot in und über Feuchtgebieten generell verbieten, weil Wasservögel nicht nur durch den gezielten Schuss der Jäger ums Leben kommen. Vögel verwechseln Schrot häufig mit kleinen Steinchen, die sie regelmäßig aufnehmen, um die Nahrung in ihren Mägen zu zermalmen. 1,5 Millionen Wasservögel sollen so jedes Jahr in der EU an Bleivergiftung verenden. Daher überrascht es, dass Thomas Schreder, studierter Biologe, Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Erding und Kandidat für den Vorsitz des Bayerischen Landesjagdverbandes, die EU-Gesetzesvorlage für unausgegoren hält. Sie sei realitätsfremd und ein Schritt hin zum Verbot der Jagd, sagt er.

Blei wird in der Natur nicht allein von Jägern in Form von Schrot verwendet. Auch die weitaus zahlreicheren, rund 3,3 Millionen deutschen Angler nutzen es, um die Angelschnüre zu beschweren und ihre Köder damit in tiefere Gewässer abzusenken. Oftmals bleiben die Haken dann an Wasserpflanzen oder versunkenem Treibholz hängen und die bebleiten Schnüre reißen ab. Die Europäischer Chemikalien Agentur Echa schätzt, dass von Jägern und Anglern pro Jahr in der EU etwa 21 000 bis 27 000 Tonnen Blei in der Umwelt verteilt werden.

Andreas Hartl

Seeadler sind majestätische Tiere. Allerdings droht ihnen eine Bleivergiftung, wenn sie Wasservögel fressen, die Bleischrotkügelchen verschluckt haben. Thomas Schreder, der Vorsitzende des Kreisjagdverbandes, kann sich eine Bleiminimierung vorstellen, ein Verzicht wäre schwierig.

(Foto: Hartl Andreas)

Schreder bestreitet nicht, dass Bleischrot insbesondere im empfindlichen Ökosystem von Feuchtgebieten problematisch ist. Insbesondere in Greifvögeln könne sich das Blei anreichern, wenn sie kleinere Wasservögel fressen, die bereits Schrotkugeln verschluckt haben. Als besonders gefährdet gelten die majestätischen Seeadler, die gerade dabei sind, sich in Bayern wieder anzusiedeln. "Ich bin auch als Biologe unterwegs, und ich sehe, dass die Greife Probleme damit haben", sagte Schreder.

Das Problem bei der Jagd sei, dass keine komplett bleifreie Munition zur Verfügung stehe. "Völlig bleifrei oder Bleiminimierung sind zwei paar Stiefel." Ein geringer Anteil sei erforderlich, weil sich Schrot beim Aufprall verformen müsse, Blei wirke dabei wie ein Weichmacher. Diese Verformung gewährleiste, dass das Tier bei einem Treffer tot sei und nicht nur schwer verletzt. Das sei auch im Sinne des Tierschutzgesetzes erforderlich. "Es geht um eine schnelle Tötungswirkung." Schreder betont, er selbst verwende schon seit zehn Jahren nur Schrotmunition mit geringem Bleianteil: "Ich bin selbst Verfechter der Bleiminimierung. Aber das ist wie beim alkoholfreien Bier. Eine geringe Restmenge ist dennoch vorhanden."

CSU-Kreisvertreterversammlung

Thomas Schreder, Vorsitzender des Kreisjagdverbandes, hält die EU-Gesetzesvorlage für unausgegoren.

(Foto: Stephan Görlich)

Ein zweiter Aspekt ist die Definition von Feuchtgebieten. Tabu sind laut Schreder künftig nicht nur die Umgebungen von Seen, Weihern, Flüssen und Bächen, sondern auch von kleinen Quellen, Entwässerungsgräben oder temporären größeren Pfützen, die sich nach längeren Niederschlägen bilden. Das schränke die bejagbare Fläche erheblich ein.

Und dann sieht der EU-Entwurf außerdem vor, dass sich die Jäger nicht in der Nähe von Feuchtgebieten aufhalten dürfen, wenn sie Schrot mit Bleianteil bei sich haben. "Wenn ich mein Auto in der Nähe der Sempt parke und ich mit Schrot in der Tasche aussteige, um in entgegengesetzter Richtung auf einer entfernten Anhöhe einen Hasen zu schießen, mache ich mich strafbar", sagte Schreder. Er müsste im Kontrollfall durch die Polizei beweisen, dass das Schrot für den Hasen gedacht war und nicht für die Wildente am Gewässer. Juristisch betrachtet ist das eine Beweislastumkehr: Das stellt eine Ausnahme vom rechtlichen Grundsatz dar, dass die Strafverfolgungsbehörden einen Gesetzesverstoß nachweisen müssen. Damit stelle man die Jäger unter Generalverdacht. Daher ist es nachvollziehbar, dass sich die Jäher von diesen geplanten EU-Regelungen auf den Schlips getreten fühlen: "Das muss transparent und mit Augenmaß geregelt werden. Das hätte man mit allen Beteiligten beraten müssen. Wir wären gern mehr mit einbezogen worden", sagte Schreder.

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