Gerichtsverhandlung in Erding:Angeklagter sucht sich Urteil aus

Geldstrafe oder Eintrag ins Führungszeugnis - bei einem Prozess in Erding wurde gehandelt wie auf dem Basar. Am Ende verzichtete der Angeklagte auf einen Freispruch.

Florian Tempel

"Kann man mit dem Gericht handeln?" Der Angeklagte war etwas erstaunt. Tatsächlich waren Richter und Staatsanwältin dazu nur zu gerne bereit. Sie berieten den 45-Jährigen, der wegen falscher Angaben in einem Offenbarungseid am Amtsgericht Erding angeklagt war, bereitwillig über seine Optionen: entweder eine Geldstrafe von 90 Tagessätze à 40 Euro, also 3600 Euro, die nicht im Führungszeugnis erscheint, oder eine Geldstrafe von 120 Tagessätze zu 20 Euro, was billiger ist, jedoch einen Eintrag ins Führungszeugnis brächte.

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"Welches Urteil hätten Sie denn gerne?" Bei einer Verhandlung in Erding suchte sich ein Angeklagter seine Strafe selbst aus.

(Foto: dpa)

Möglich war auch ein Freispruch, der allerdings zu Wiederaufnahme eines älteren Verfahrens führen würde, das dann voraussichtlich teurer als die beiden anderen Angebote ausgehen werde. Der Angeklagte überlegte und sagte: "Ich muss leider kaufmännisch entscheiden" und nahm die 2400 Euro Geldstrafe, auch wenn er somit nun als vorbestraft gilt.

Zu dem Verfahren mit dem sonderbaren Ausgang war es so gekommen: Im vergangenen Jahr war der Angeklagte, der mit seinem Bruder und einem weiteren Geschäftspartner einen Handwerksbetrieb hatte, pleite gegangen. Nachdem für das Unternehmen Insolvenz angemeldet war, musste er einen Offenbarungseid leisten. Laut Anklage verheimlichte er bei den Angaben zu seinem Vermögen, dass er zu einem Drittel Miteigentümer an einer Lagerhalle mit kleinem Büro in Moosinning war.

Dass sein Anteil an dieser Immobilie nicht in die eidesstattliche Versicherung aufgenommen wurde, hatte aber seinen Grund: Das Gebäude war mit Hypotheken höher belastet, als es wert war, und stand "kurz vor der Zwangsversteigerung". Selbst der Gerichtsvollzieher, bei dem der Angeklagte den Offenbarungseid ablegte, befand deshalb, es mache keinen Sinn, dieses nur vermeintlich Vermögen ins Protokoll aufzunehmen.

In einem Anhang wurde immerhin das formale Drittel-Eigentum an der Halle sowie der Hinweis, alles gehöre de facto der Bank, festgehalten. Streng juristisch war das dennoch eine "falsche Angabe", befand Richter Aksel Kramer, weil Eigentum an einer Immobilie in jedem Fall erst mit einem entsprechenden Grundbucheintrag ende - Überschuldung hin oder her. Allerdings entstand die formal unrichtige Angabe unter Mitwirkung eines Gerichtsvollziehers. Und insofern war dem Angeklagten kein Vorwurf zu machen.

Ein Freispruch wäre also nur recht gewesen - aber nicht billig. Die Staatsanwaltschaft hatte nämlich ein älteres Verfahren wegen mutmaßlichen Betrugs nur im Hinblick auf eine Verurteilung in diesem Prozess eingestellt. Bei einem Freispruch wäre jenes Verfahren wieder aufgenommen worden - mit ungewissem Ausgang. Im Fall einer Verurteilung hätte der Mann aber sehr sicher mit einer herben Strafe rechnen müssen. So gesehen war es ratsam, auf den Freispruch zu verzichten - damit das ältere Verfahren zu den Akten gelegt werden konnte.

Also galt es eine Geldstrafe zu akzeptieren. Aber welche? Per Strafbefehl waren 120 Tagessätze à 20 Euro festgesetzt worden. Gegen den Strafbefehl hatte der Mann Einspruch eingelegt, weil er sich - zu Recht - nicht eines falschen Offenbarungseids schuldig fühlte. Dass hintendran noch das ältere Verfahren wegen Betrugs hing, wusste er nicht.

Das Gericht hätte nun zwar die Zahl der Tagessätze auf 90 reduziert, was keinen Eintrag ins Führungszeugnis bedeutet hätte. Doch der Angeklagte verdient mittlerweile wieder ganz gut, und die Höhe eines Tagessatze wäre auf 40 Euro festzulegen gewesen. Die eigentlich mildere Geldstrafe wäre so aber effektiv um 1200 Euro höher gewesen. Letztlich entschied sich der Angeklagte dafür, das juristisch zwar härteste, aber finanziell günstigste Angebot anzunehmen.

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