Spurensuche in DorfenGoldschmied, Geheimkämmerer und Papstbruder

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Das Sterbebild von Professor Dr. Dr. Joseph Holzner, päpstlicher Geheimkämmerer.
Das Sterbebild von Professor Dr. Dr. Joseph Holzner, päpstlicher Geheimkämmerer. (Foto: privat)

Wolfgang Lanzinger erinnert bei einem Treffen des Historischen Kreises an drei namhafte Kleriker und einen kreativen Künstler aus Dorfen. Joseph Holzner, Georg Ratzinger, Josef Wilm sowie Christian Harl haben sich in Kirche und Gesellschaft engagiert.

Von Thomas Daller, Dorfen

Wolfgang Lanzinger, Vorsitzender des Historischen Kreises Dorfen, hat bei der Jahreshauptversammlung vier Dorfener Persönlichkeiten vorgestellt, bei denen im vergangenen oder in diesem Jahr ein Jubiläum anstand oder noch bevorsteht: Professor Joseph Holzner, päpstlicher Geheimkämmerer und Autor eines Werks über den Apostel Paulus, Georg Ratzinger, Bruders des Papstes Benedikt XVI., Goldschmied Josef Wilm sowie der Pfarrer und spätere Reichstagsabgeordnete Christian Harl. Harl wurde vor 200 Jahren geboren, Holzner vor 150, Ratzinger vor 100 Jahren und Wilm starb vor 100 Jahren.

Lanzinger entschuldigte sich beinahe, dass es sich bei den Jubilaren ausschließlich um Männer handelt, aber das sei der damaligen Zeit geschuldet. Verwunderlich ist es jedoch nicht, dass sich darunter drei Kleriker befinden. Dorfen war nach Altötting der zweitwichtigste Wallfahrtsort in Bayern, die Kirche spielte viele Jahre eine große Rolle.

1875 wurde Joseph Holzner in Dorfen geboren. Er begann seine Priesterlaufbahn in Freising. Seine Primiz feierte er in Rom und seine Nachprimiz in Dorfen. Im Ersten Weltkrieg diente er als Militärpfarrer. Danach wurde er Pfarrer in Lenggries und anschließend Studienprofessor in München. Er erwarb sich große Verdienste in der Forschung über den Apostel Paulus. Sein enormes Wissen erwarb er dabei nicht nur aus Büchern, sondern er unternahm auch viele Reisen in Länder, in denen Paulus gewirkt hatte, darunter Griechenland, Kleinasien, Syrien und Palästina.

Diese Reisen dienten dazu, Material zu sammeln für sein großes Werk, die Lebensbeschreibung des Heiligen Paulus. Diese erschien 1937 und erlebte 22 Auflagen bis ins Jahr 1963. Sie wurde in acht Sprachen übersetzt, darunter auch Japanisch und Neugriechisch. Der Theologe und Forscher wurde zum päpstlichen Geheimkämmerer ernannt. Er starb 1947 und wurde in Dorfen beerdigt.

Georg Ratzinger, Bruder von Josef Ratzinger, als Kurat in seiner Zeit in Dorfen.
Georg Ratzinger, Bruder von Josef Ratzinger, als Kurat in seiner Zeit in Dorfen. (Foto: privat)

Älteren Mitgliedern des Historischen Kreises war Georg Ratzinger noch als Religionslehrer bekannt, er unterrichtete in Dorfen von 1953 bis 1957. Zudem war er Chorregent in Dorfen. Er wurde 1924 in Pleiskirchen geboren und studierte von 1946 an in Freising Theologie. Parallel zur Seelsorgearbeit absolvierte er ein Studium der Kirchenmusik.

1964 wurde er Domkapellmeister in Regensburg, wo er die Regensburger Domspatzen 30 Jahre lang leitete. Die Wahl seines Bruders Joseph zum Papst im Jahr 2005 hat ihn tief bewegt, aber nicht begeistert. „Er sah den Zeitplan seines Lebens in weißem Rauch aufgehen“, sagte Lanzinger. Als ihn Papst Benedikt noch am Tag seiner Wahl anrufen wollte, nahm Georg den Hörer nicht ab: „Steig mir doch den Buckel rauf“, ist als Zitat von ihm überliefert. Die Brüder blieben in Kontakt, aber auch Georg geriet mehr ins Rampenlicht, als ihm lieb war.

„Ein Schatten fiel auf seine Biografie, als 2010 Missbrauchsvorfälle bei den Regensburger Domspatzen bekannt wurden“, sagte Lanzinger. Georg Ratzinger habe vom Missbrauch zwar keine Kenntnis gehabt, wie eine Untersuchung ergab, aber er selbst soll extrem cholerisch und jähzornig gewesen sein und Schüler mit Ohrfeigen bestraft haben. Als Führungsperson habe er versagt. Damals seien zwar Ohrfeigen als Erziehungsmittel verwendet worden, „aber heute werden andere Maßstäbe angelegt“, sagte Lanzinger.

Josef Wilm wurde nur 40 Jahre alt, er entstammte einer Goldschmiededynastie und starb 1924.  Er lernte sein Handwerk beim Vater und in verschiedenen Betrieben in Oberbayern. In Hanau studierte er auf der Kunstgewerbeschule und übernahm dann die technische Leitung einer Modeschmuckfirma. Dann folgte ein Lehrauftrag in Berlin.

Bekannt wurde die Familie Wilm durch die Wiederentdeckung der etruskischen Granulierkunst. Die Etrusker fertigten winzige Gold- oder Silberkügelchen an, mit denen sie edle Schmuckstücke verzierten. Das Wissen darum, wie sie diese Kügelchen herstellten, war jedoch verloren gegangen.

Eines Tages in der Werkstatt sagte Vater Josef Wilm zum jüngeren Sohn Johann, er solle den Schmelztiegel aufsetzen und ihn befüllen. Gemeint war, nur mit Silber, Johann verstand ihn falsch und gab auch noch Messing hinzu. Der Vater war verärgert und gab Johann eine Ohrfeige, der daraufhin den Schmelztiegel fallen ließ. Die Legierung landete auf dem Boden und bildete perfekte Kügelchen. Das war der Beginn eines großen kommerziellen Erfolgs. Von Johann Wilm ist das Zitat überliefert: „Diese Watschen war Gold wert.“

Weitgehend unbekannt blieb Christian Harl, ein Pfarrer, der zeitweise in Dorfen Seelsorger war. Er wurde 1824 in Reichenhall geboren, er ging in Freising aufs Lyzeum und wurde 1950 zum Priester geweiht. 1872 wurde er Pfarrer in Grüntegernbach und war dort auch für das Dekanat Dorfen zuständig. Harl engagierte sich aber auch für weltliche Probleme und deren Lösungen, aufgrund seiner Popularität ging er schließlich in die Politik. Als Kandidat der Zentrumspartei holte er drei Viertel der Stimmen im Wahlkreis Erding-Mühldorf und war von 1893 bis 1898 Reichstagsabgeordneter in Berlin. Er scheint so etwas gewesen zu sein wie Don Camillo und Peppone in einer Person. Er starb 1902 in Dorfen und wurde in den Arkaden des Krankenhauses verewigt.

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