Fußballfrauen des FC Forstern mischen die Regionalliga Süd auf:Mit Fehlerkultur an die Spitze

Wertschätzung für den Menschen spielt eine große Rolle im Konzept von Trainer Thilo Herberholz. Er hat die erfolgreichen Spielerinnen noch erfolgreicher gemacht

Von Eicke Lenz, Forstern

Es sei die "am einfachsten zu trainierende Mannschaft der Welt", sagt Thilo Herberholz, 43, Trainer der Frauen-Fußballmannschaft des FC Forstern. Die Spielerinnen legten eine extrem hohe Eigenmotivation an den Tag. Sie seien selbstkritisch und absolute Teamplayer. Wenn es zum Auswärtsspiel geht, sind nicht nur die 18 aus dem Kader dabei, sondern auch verletzte Spielerinnen und solche, die es aus anderen Gründen nicht in den Kader geschafft haben. Aus diesem Holz sind offenbar Siegerinnen geschnitzt: Der FC Forstern steht als Aufsteiger ohne Niederlage an der Spitze der Regionalliga Süd. Die Frauen spielen eine unvergessliche, an Höhepunkten reiche Saison. Der nächste könnte an diesem Wochenende folgen.

Als Tabellenführer der Regionalliga Süd empfängt der FC Forsterns am Sonntag um 14 Uhr den Verfolger TSV Crailsheim. Der Gast hat bisher nur eine Niederlage zu Buche stehen und ist dem Spitzentrio Forstern, Nürnberg und Ingolstadt dicht auf den Fersen. Die Crailsheimerinnen werden alles versuchen, um den Abstand nicht weiter anwachsen zu lassen, davon ist auszugehen. Doch es sind schon andere Teams in der dritthöchsten Fußballliga am Siegeswille des FC Forstern gescheitert - Mannschaften, die vor der Begegnung als klarer Favorit galten.

Die Regionalliga Süd ist in dieser Saison besonders stark besetzt. Die zuvor mehrgleisige zweite Bundesliga wurde zu Beginn der Saison eingleisig, was zur Folge hatte, dass aus der zweiten Bundesliga Süd sechs Mannschaften in die Regionalliga Süd absteigen mussten. Damit ist diese Liga stärker denn je - und Forstern durfte als Aufsteiger und Meister der Bayernliga zunächst als erster Anwärter auf den Abstieg gelten. Doch es kam anders. "Ich habe ein über mehrere Jahre eingespieltes Team übernommen, das mit lediglich zwei Neuzugängen im Sommer gezielt verstärkt wurde", sagt Herberholz. In den vergangenen eineinhalb Jahren war Hans-Jürgen Lukschanderl Trainer der Forsterner Frauen und hat mit dem Triple - die bayerische Meisterschaft, Sieger im BFV-Landespokal und Sieger vom Erdinger Meistercup - nie für möglich gehaltene Erfolge erreicht. Zu Beginn der Saison übernahm dann Trainer Thilo Herberholz mit Thomas Urbaniak die Trainingsleitung des Aufsteigers. Ein Glücksgriff.

Fußballfrauen des FC Forstern mischen die Regionalliga Süd auf: Ratlosigkeit beim Gegner: Der FC Forstern spielt als Aufsteiger eine sensationelle Saison in der Regionalliga Süd.

Ratlosigkeit beim Gegner: Der FC Forstern spielt als Aufsteiger eine sensationelle Saison in der Regionalliga Süd.

(Foto: privat)

"Unsere Hoffnung war damals angesichts der starken Mannschaften in der Regionalliga nur der Klassenerhalt", sagt Forsterns Fußballabteilungsleiter Roland Gfüllner. Die Gespräche mit Herberholz und Urbaniak seien aber sehr gut verlaufen. "Mittlerweile haben sie unsere kühnsten Erwartungen bei weitem übertroffen." Und nicht nur ihre. Wie die zwei Verfolger 1. FC Nürnberg und FC Ingolstadt 04 ist der FC Forstern in der Regionalliga Süd Spielzeit noch ungeschlagen und führt mit vier Punkten Vorsprung die Tabelle an.

So sehr der als Spieler und Spielertrainer erfolgreiche Thilo Herberholz den Erfolg liebt, er übertreibt nicht und ist bei der Einschätzung der erreichbaren Ziele höchst realistisch. "Ich versuche, in meiner Rolle als Trainer authentisch zu bleiben, und meinen eigenen Ehrgeiz und meine Liebe zum Mannschaftssport auf meine Spielerinnen zu übertragen", sagt er. Das Ziel sei klar formuliert: "Klassenerhalt." Und das werde er mit der Mannschaft bis zum rechnerischen Erreichen auch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgen. Seine Arbeit ist gekennzeichnet von Akribie und zahllosen Einzel- und Gruppengespräche. Gemeinsam mit Thomas Urbaniak motiviert er die Mannschaft zu Höchstleistungen. Die Erfolge in der Regionalliga werden dabei noch mit zwei Siegen im DFB-Pokal veredelt und mit dem Vorstoß ins Achtelfinale, wo Forstern auf den VfL Wolfsburg trifft, der aktuell besten deutschen Frauenmannschaft und einer der stärksten Teams europaweit.

Herberholz gibt alles Lob an die Mannschaft weiter: Die Trainingsbeteiligung liegt ihm zufolge bei 100 Prozent, gepaart mit einer hohen Anstrengungsbereitschaft und dem Willen, die eigene Leistung zu verbessern. "Eigeninteressen werden denen der Gruppe untergeordnet, sodass sich die Spielerinnen auch auf ungewohnten Positionen in taktisch veränderten Systemen einfügen", sagt er.

Sehr nahe an der Mannschaft und für Herberholz eine große Unterstützung ist als sportlicher Leiter Thomas Urbaniak. Er ist bei jedem Training auf dem Platz, leitet Teile des Training und arbeitet gruppen- und individualtaktisch mit den Frauen. Er habe "hervorragende Kenntnisse im taktischen Bereich, ein geschultes Auge bei der Spielbeobachtung und analysiert unsere Spiele datenbasiert", sagt Herberholz. Und damit nicht genug: Urbaniaks Engagement im Umfeld der Mannschaft gehe weit über die Verantwortung hinaus, die Herberholz für den Trainings- und Spielbetrieb habe, sagt der Trainier. Vervollständigt wird das Team durch Torwarttrainer Wolfgang Häusler, den die Keeperinnen schon lange kennen. Und sie freuen sich auf jede Einheit.

Fußballfrauen des FC Forstern mischen die Regionalliga Süd auf: Trainer Thilo Herberholz.

Trainer Thilo Herberholz.

(Foto: Eicke Lenz)

Herberholz ist 43 Jahre, Sportlehrer und mittlerweile auch Leiter eines Gymnasiums. Die Art, wie er die Spielerinnen führt, basiert auf Wertschätzung und Vertrauen, die den Erfolg des Teams erst möglich machen, wie Herberholz erläutert: "Ich enttäusche jeden Freitagabend bei der Kaderbekanntgabe einige meiner Spielerinnen, das weiß ich, und das wissen sie. Sieben, die gerne von Anfang an spielen würden und das vielleicht sogar verdient hätten, müssen auf der Bank Platz nehmen. Stehen mehr als 18 Spielerinnen zur Verfügung, müssen manche mit einer Nichtnominierung leben." Von den sieben Auswechselspielerinnen können maximal vier eingewechselt werden, also bleiben drei, die keine Minute Einsatzzeit bekommen. "Das ist enttäuschend für jeden motivierten Sportler, aber eben auch unvermeidbar", sagt Herberholz. Entscheidend sei, dass sich die Person trotz Nichtbeachtung in der Rolle als Spielerin als Mensch wertgeschätzt fühle. "Das versuche ich zu vermitteln." Gute Leistungen entsprängen einem Vertrauensverhältnis zwischen Spielerinnen und Trainer. Jede habe die Sicherheit, im Training und im Spiel Fehler machen zu dürfen, "weil natürlich auch ich in der Spielvorbereitung und im Coaching Fehler mache". Er verstehe die Mannschaft als "ein verzeihendes und lernendes System, das sich gemeinsam weiterentwickelt".

Die "totale Fokussierung auf uns, unser Spiel, unser Ziel und das für uns Beeinflussbare" ist sein Ziel, auch an diesem Sonntag. Die Leistung seiner Mannschaft gegen Crailsheim interessiere ihn, nicht wie Nürnberg gegen Ingolstadt spielt. "Bei jedem Spiel arbeiten wir daran, möglichst nah an die für uns erreichbaren 100 Prozent zu kommen, jeder individuell für sich und in der Summe der Leistungen als Team." Dies sei eine nahezu unerreichbare Forderung ist, das wisse er. "Trotzdem fordere ich genau dies Woche für Woche ein."

Herberholz weiß, dass die Serie einmal abbrechen wird. "Aktuell spielen wir gegen das Gesetz der Serie beziehungsweise dagegen, dass jede Serie irgendwann einmal reißt." Diesen Zeitpunkt gelte es hinauszuzögern in dem Wissen darum, dass die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage mit der Länge der Serie steige.

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