Freisinger Amtsgericht:Ein Dieb, der keiner ist

Ein Moosburger wird des Autodiebstahls beschuldigt. Der Richter hegt Zweifel und bleibt mit offenen Fragen zurück

Von Alexander Kappen, Moosburg

Es klang nach einem klassischen Fall von Diebstahl. Einem besonders schweren Diebstahl, wie es in der Anklage hieß. Es war ein Sommertag im Juli 2015. Der Angeklagte fuhr mit einem Anhänger an der Siebenbürgenstraße in Moosburg vor und stellte ihn vor einen dort geparkten Ford Escort im Wert von etwa 1000 Euro. Er schlug die Scheibe ein, löste die Handbremse, schob das Auto auf den Hänger und fuhr davon.

Ganz so einfach war der Fall dann aber doch nicht, weil der Angeklagte in der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht angab, das Auto im Auftrag des vermeintlichen Besitzers abgeholt und auf einem Schrottplatz entsorgt zu haben. Weil er Zweifel hatte, "dass der Angeklagte das Auto wirklich gestohlen hat und für sich behalten wollte", sprach Richter Michael Geltl den Mann schließlich frei und folgte damit dem Antrag der Staatsanwältin, die die Angelegenheit genauso einschätzte. Zu der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht war es gekommen, weil der Angeklagte Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte. Er kenne den vermeintlichen Besitzer des besagten Autos "schon ziemlich lange", erzählte er dem Richter: "Ich habe schon öfter Autos für ihn weggebracht." Auch in dem angeklagten Fall "hat er mich angerufen und gesagt, ich soll sein Auto wegfahren und entsorgen", berichtete der Angeklagte. Und das habe er gemacht.

Da es für das Auto offenbar weder Schlüssel noch Fahrzeugpapiere gab, "haben wir die Scheibe eingeschlagen, die Handbremse gelöst und das Auto auf den Anhänger geschoben". Er habe den Wagen "noch am selben Tag zum Schrottplatz nach Landshut gefahren und 70 Euro dafür bekommen. Der Besitzer sei sogar dabei gewesen, als man das Auto auf den Hänger geschoben habe, so der Angeklagte. Auch eine Zeugin, deren Aussage vom Richter verlesen wurde, hatte - es war Vormittag - von ihrem Balkon aus einen zweiten Mann bei der Aktion gesehen, der wohl der vermeintliche Besitzer gewesen sein könnte, wie auch die Staatsanwältin meinte. Ihrer Ansicht nach war "die Sache nicht ganz lupenrein, aber es reicht nicht für eine Verurteilung wegen Diebstahls, denn es bleiben berechtigte Zweifel".

Sie merkte auch an, dass es "keinerlei Verschleierungsmaßnahmen des Angeklagten gab - er hat ja am helllichten Tag die Scheibe des Autos eingeschlagen und dieses auf den Anhänger geschoben". Allerdings erschloss sich ihr genauso wie dem Richter nicht so recht, warum der Bekannte des Angeklagten hinterher behauptet hatte, den Auftrag zur Entsorgung nicht gegeben zu haben: "Er hat ja keinerlei finanziellen Vorteil davon, dass er das behauptet." Der Angeklagte sagte, sein Bekannter habe "verheimlicht, dass es gar nicht sein Auto war, er wusste wahrscheinlich, dass auf ihn etwas wegen Diebstahls zukommt". Der besagte Bekannte ist inzwischen im Ausland und nicht mehr greifbar.

Ganz schlau wurden die Prozessbeteiligten aus der Sache nicht, für eine Verurteilung jedenfalls reichte es nicht. Zunächst zogen Richter und die Staatsanwältin in Erwägung, das Verfahren nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung wegen Geringfügigkeit einzustellen. Der vorliegende, besonders schwere Fall des Diebstahls sei jedoch "eigentlich kein Delikt, der sich für eine Geringfügigkeitseinstellung eignet", gab die Staatsanwältin zu bedenken. Deshalb beantragte sie, ebenso wie der Verteidiger, einen Freispruch.

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