Süddeutsche Zeitung

Freising:Von der Blasmusik zum "Cindy-Pop"

Lesezeit: 4 min

Die Bands "The Heimatdamisch" und .Ok.danke.tschüss treten an diesem Wochenende auf dem Uferlos-Festival auf

Von Johannes Schmid und Henrike Schulze-Wietis, Freising/Bad Tölz

AC/DC, Iron Maiden, Guns 'N' Roses - was verbinden Sie mit diesen Bands? Tuba, Posaune und Lederhosen sicher nicht. Das schier Unmögliche machen acht Musiker aus Bad Tölz und Bayern möglich: Die Gruppe The Heimatdamisch interpretiert Pop-, Rock- und Swingklassiker im Oberkrainer-Stil. "Wir ziehen den Charthits die Lederhosen an", so Florian Rein, Bandleader und musikalischer Chef der Formation. Ihr neues Programm "Circus Oberkrain" demonstriert, dass "Hit me baby one more time" von Britney Spears oder Guns 'N' Roses' "Sweet Child of Mine" eine gute Prise Blasmusik vertragen können.

Das Album feiert am Wochenende Premiere beim Freisinger Uferlos: Am Samstag, 25. Mai, um 21.15 Uhr im Kaffeehauszelt präsentiert die bayrisch-österreichische Combo ihre Neuinterpretation von Evergreens und Chartstürmern mit Tuba, Akkordeon, Bläsern, Gitarre und Drums.

Neben dem Uferlos in Freising feiert die Band weltweite Erfolge: "Die US-Amerikaner sind ganz wild auf unseren volksmusikalischen Sound", so Rein. The Heimatdamisch touren auch in Europa: Ihr Dirndl- und Lederhosencharme überzeugt Musikbegeisterte in den Niederlanden, Belgien, Italien und als nächstes in Norwegen. Aber auch im deutschsprachigen Raum bringen The Heimatdamisch die Festzelte und Konzerthallen zum Toben. Bis zu 70 Auftritte haben die Buam und das Madl jedes Jahr. Durch ihren ersten Clip auf YouTube, eine Oberkrainer Version des AC/DC-Hits "Highway to Hell", erlangte die Gruppe Kultstatus. Weit mehr als 37 Millionen Klicks gehen auf das Konto der Cross-Over-Musiker.

Begonnen hat diese musikalische Reise 2015: Rein unterstützte die Lesungen der Jugendgeschichten eines Tölzer Freundes mit Live-Musik. Schnell überzeugte er das Publikum von dem Heimat-Sound, sodass bald die Rufe nach "Lesungen ohne Lesung" größer wurden, erzählt Rein.

Die Herausforderung bei der Komposition sei es, passende Songs zu finden. Nur weil ein Lied in den Charts ein Renner sei, wäre er noch lange nicht als volkstümliche Version geeignet. "Songs, die weder textlich noch melodisch viel hergeben, sind schwierig neu und mit vielen Instrumenten zu arrangieren", erklärt Musikproduzent Rein. Hauptsache, man könne den modernen Liedern einen heimatlichen Sound geben. Die Band ist verrückt nach ihrer Heimat, also "Heimatdamisch". Genau das transportieren sie mit Hits von Taylor Swift, A-HA und Kings of Leon.

Jeder ihrer Auftritte sei voller Power und Drive: "Man ist danach zwar vollkommen erledigt - im positiven Sinne, aber es ist immer Party Vollgas. Nicht nur wir, sondern vor allem das Publikum feiert unsere Songs und gibt alles", sagt Rein. Die Band freut sich schon sehr auf das Freisinger Festival: "Das Uferlos hat einfach Kultstatus und deswegen ist es großartig, dass wir dabei sein dürfen." Rein hat das Vergnügen, sogar zwei Mal beim Uferlos aufzutreten. Als Schlagzeuger der Band Bananafishbones spielt er am Montag, 27. Mai, wieder auf dem Festival.

Irgendwie funky, viele Synthies und eine Prise von leicht zugänglichem Pop. So wird die neue Single "Vincent van Gogh" von ok.danke.tschüss online rezensiert. Ok.danke.tschüss, das sind Benjamin Doser am Schlagzeug, Lucas Firmbach am Keyboard, Manuel Praxmarer am Bass und Eva Sauter als Sängerin. Die vier bezeichnen ihr Genre mit einem Augenzwinkern als "Cindy-Pop", wobei das keine nähere Bedeutung habe, "denn ein bisschen Quatsch gehört ja auch dazu", sagt Lukas Firmbach. Ihre Texte sind "spaßig, aber tanzbar", hätten aber auch noch Tiefgang, so Firmbach. Sie berichten in ihren Songs über Tee, Drogen und der einen Kneipe, in der man am Ende des Abends immer strandet. Wie gemacht für Synthesizer-Liebhaber und Tanzwütige, erinnern sie an die Zeit der Neuen Deutschen Welle.

Die vier studieren an der Popakademie in Mannheim, da haben sie sich gefunden. Und "seit dem April 2018 spielen wir in der jetzigen Besetzung", blickt Lucas Firmbach zurück. Über die Band sagt Firmach: "Wir sind ein Zusammenschluss aus vier Leuten, die die Gesellschaft als Individuen kritisch betrachten", so behandeln ihre Lieder vorrangig Themen, über die man sich als Student aufregen könne. Im Studiums sei sowieso ein Praxisprojekt vorgesehen, aber "mittlerweile machen wir die Band quasi hauptberuflich, studieren ist nur noch ein Nebenjob", fügt Lucas Firmbach scherzhaft hinzu.

Dieses Jahr kam die Band in das PopCamp Jahrgang 2019, in dem sie nach einem äußerst anspruchsvollen Wettbewerb nun ein High-Level-Bandcoaching von einem Dozententeam aus dem Creative Businessbereich erhalten. "Damit soll semi-professionellen Bands geholfen werden, komplett professionell zu werden", erzählt Lucas Firmbach. In ihrer Debütsingle "Vincent van Gogh" stellen sie sich die Frage, "Wer legt eigentlich fest, was Kunst ist?" "Jeder kann Kunst sein. Man muss nicht einer Oberklasse angehören um zu definieren, was Kunst ist und was nicht", erzählt Firmbach.

Im Video versucht die Band, das ganze zu verbildlichen, so verkleiden sich die vier als die unterschiedlichsten Kunstwerke, "die Requisiten haben wir über zwei Monate selbst hergestellt", sagt Firmbach. Teils wird gesprochen, teils gesungen. Textlich bewegt sich ok.danke.tschüss auf einem durchweg hohen Niveau, von witzigen Wortspielen bis hin zu bissigen Kommentaren auf Metaebene ist alles mit von der Partie. Das macht den Song sehr interessant zu hören und hält die Spannung konsequent weit oben.

Auf dem Uferlos wird die Band ein straffes Programm bieten "wir können unser ganzes Set über 60 Minuten spielen", sagt Firmbach, "vieles davon ist noch unveröffentlicht. Der letzte neue Song ist erst vorherige Woche fertig geworden". Für die Gruppe ist 2019 ein geschäftiges Jahr, sie spielt noch auf 17 Festivals und Veranstaltungen. Bis jetzt sind alle sehr zufrieden: "Die Rezensionen waren fast immer gut bis sehr gut", aber sie würden dann und wann anecken, "was auch gut ist", sagt Firmbach. Patrick Kruppa, der Manager der Band, fügt hinzu "interessant ist, dass wir bei allen Altersgruppen gut ankommen, von Jung bis Alt".

Nächste Woche, am Freitag, 31. Mai, kommt ihre neue Single heraus, "Rosi" heißt sie. "Es geht um eine Kneipe, in der man letzen Endes doch immer absteigt und das letzte Bier trinkt." Die Kneipe habe es wirklich gegeben, Rosi hieß die Wirtin, so Firmbach, "die Kneipe hat aber leider schon zugemacht". Dieses Jahr will die Band auf jeden Fall noch mal ins Studio und eine weitere Single rausbringen, eine Tour im Dezember ist in Planung. Ok.danke.tschüss spielt, am Sonntag, 26. Mai, um 18 Uhr im Zelt der Freisinger Bank. Mehr Informationen zur Band, deren Mitglieder und Auftritten haben gibt es unter www.okdanketschuess.de

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Quelle:
SZ vom 25.05.2019
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