Freising/Landshut:Ein Fragezeichen bleibt

Lesezeit: 2 min

44-Jähriger wird vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs freigesprochen, vermutlich folgen aber weitere Anklagen

Von Peter Becker, Freising/Landshut

Mit einem Freispruch ist am Dienstagnachmittag der Prozess gegen einen 44-jährigen Mann zu Ende gegangen, der sich vor der sechsten Strafkammer des Landshuter Landgerichts wegen sexuellen Missbrauchs seiner ältesten Tochter verantworten musste. Vorsitzender Ralph Reiter sprach in seiner Urteilsverkündung von "einer schwierigen Entscheidung". Für eine Verurteilung hätten objektive Beweise gefehlt. Das Gericht war sich deshalb nicht wirklich sicher, dass der Beschuldigte seine Tochter missbraucht hatte. Womöglich war es aber nicht das letzte Mal, dass sich der 44-Jährige wegen sexuellen Missbrauchs verantworten muss. Er hat zwei weitere Töchter, an denen er sich ebenfalls vergangen haben soll. Entsprechende Anklagen werden wohl folgen.

Während der Vernehmung der jungen Zeuginnen war die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden. Deshalb mussten auch die Plädoyers hinter verschlossenen Türen stattfinden. So schreibt es die Prozessordnung vor. Erst als sich der Beschuldigte noch einmal äußern durfte, bevor sich die Strafkammer zur Beratung zurückzog, war die Öffentlichkeit wieder zugelassen. "Ich habe es nicht getan", beteuerte der 44-Jährige noch einmal seine Unschuld.

Die sexuellen Übergriffe des Beschuldigten sollen sich laut Anklage in den Jahren 2007 und 2008 in Freising zugetragen haben. Die älteste Tochter war damals 14 Jahre alt. Sie hatte seinerzeit gegenüber einer Therapeutin Andeutungen zu den Vorfällen gemacht. Vorsitzender Ralph Reiter sagte in der Urteilsverkündung, dass sich diese Angaben nach der Vernehmung der Frau vor Gericht als haltlos erwiesen hätten. Die ehemalige Frau des Angeklagten habe bei ihrem Auftritt als Zeugin deutlichen Belastungseifer gezeigt. "Und aus den beiden anderen Töchtern war nichts herauszubekommen", fasste Reiter das Ergebnis der mühsamen Spurensuche zusammen. Es gebe daher keinen objektiven Beweis für die Schuld des Angeklagten, sondern es stehe Aussage gegen Aussage. Der Staatsanwalt hat nach Ansicht von Reiter zwar recht, wenn er darauf hinweist, dass die Angaben des Mädchens konstant gewesen seien. Nicht minder gewichtig ist allerdings die Feststellung des Verteidigers Oliver Hille, die junge Frau habe das Kerngeschehen erst beim Ermittlungsrichter geschildert.

Alle drei Mädchen haben die Vorwürfe gegen ihren Vater erst dann erhoben, als sich ihre Mutter bereits von ihm getrennt hatte. Die älteste Tochter hatte dazu die Bemerkung gemacht, sie habe deshalb geschwiegen, weil sie nicht der Anlass für eine Trennung der Eltern sein wollte. Laut dem Vorsitzenden Richter Ralph Reiter ist es aber auch denkbar, dass die Hauptbelastungszeugin ihren Vater nur deshalb der sexuellen Übergriffe bezichtigte, weil sie sich mit ihm nie verstanden hat. Offensichtlich sei bei ihr auch eine Persönlichkeitsproblematik vorhanden. Durch die Anschuldigungen habe die Mutter den Absprung aus der Ehe schaffen sollen. "Aber das sind alles Spekulationen", betonte Reiter.

"Im Zweifel für den Angeklagten", zitierte Reiter den Richterspruch, nach dem die Kammer den Beschuldigten freisprach. Dies bedeute aber nicht, dass die Frauen nicht die Wahrheit gesagt hätten. "Ein Fragezeichen bleibt stehen", betonte der Vorsitzende Richter.

Das Urteil ist auch insofern für den Angeklagten von Bedeutung, weil er bei einer Behörde als Informatiker beschäftigt ist. Dort ist er derzeit suspendiert. Wie es mit ihm künftig weiter geht, hängt davon ab, ob es gegen ihn weitere Anklagen gibt und ob er dann wieder freigesprochen wird.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: