Freising/Hallbergmoos:Wut am Außenspiegel ausgelassen

18-jähriger Jugendlicher beschädigt Auto, weil er einen Freund nicht schlagen wollte. Das Jugendschöffengericht verurteilt ihn deshalb zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt ist

Von Alexander Kappen, Freising/Hallbergmoos

Viel hat nicht gefehlt, und der 18-jährige Lehrling wäre ins Gefängnis gekommen, so wie es der Staatsanwalt in einem Prozess am Freisinger Amtsgericht beantragt hatte. Nur ein paar Tage nachdem er wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden war, trat er Anfang April in Hallbergmoos den Außenspiegel eines fremden Autos ab. Und so landete der 18-Jährige jetzt erneut vor dem Richter, wo er sich zudem wegen einer Schlägerei mit einem 17-jährigen Berufsschüler verantworten musste. Letzteres Verfahren wurde aufgrund der unsicheren Beweislage auf Antrag des Staatsanwalts eingestellt, so dass nur die Sachbeschädigung blieb. Und dafür erhielt der Angeklagte vom Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Boris Schätz eine Strafe von elf Monaten, die abermals zur Bewährung ausgesetzt wurde.

An jenem Tag im April "waren wir saufen, dann hat mich ein Jugendlicher provoziert und beleidigt", erzählte der Angeklagte dem Richter. "Ich war auf 180 - und dann habe ich meine Wut an dem Auto ausgelassen, anstatt den anderen zu schlagen", sagte der 18-Jährige. Der Provokateur sei schließlich ein enger Kumpel von ihm gewesen, "und den will ich ja nicht hauen". An dem Auto entstand ein Sachschaden von 200 Euro.

Angeklagt war zunächst auch ein Fall vom September 2016. Da geriet der Beschuldigte in der Jugendhilfeeinrichtung Birkeneck, wo er lebte, mit einem anderen Bewohner aneinander. Der 17-Jährige hatte nach eigener Aussage Küchendienst und beobachtete, wie der Angeklagte Käse aus dem Kühlschrank nahm. Darauf angesprochen, legte er ihn aber offenbar wieder zurück. Später kam es dann zu einer Auseinandersetzung.

Konkret wurde dem Angeklagten vorgeworfen, seinem Kontrahenten einen Kopfstoß ins Gesicht verpasst zu haben. Ein Zeuge, der dabei war, hatte weder den Stoß noch den vermeintlichen Treffer im Gesicht selber gesehen. Der Angeklagte beteuerte, den Kopfstoß nur angedeutet zu haben. Und das vermeintliche Opfer sprach in der Verhandlung ebenfalls davon, dass der Angeklagte "in der Luft eine Kopfnuss" gemacht habe. Dann wiederum sagte er, "ein bisschen an der Nase getroffen" worden zu sein. Geblutet habe er aber nicht. Der Zeuge beschrieb den 17-Jährigen als aggressiv. Mit dem Angeklagten war er sich offenbar generell nicht grün. An besagtem Tag beleidigten sich die beiden Widersacher dem Vernehmen nach gegenseitig, ehe sie sich eine Schlägerei lieferten und vom Zeugen getrennt wurden, der bilanzierte: "Beide haben an dem Tag Mist gebaut". Der Kopfstoß, um den es sich in der Anklage handelte, war jedoch nicht nachzuweisen, weshalb dieser Fall schließlich eingestellt wurde.

Zum Glück für den Angeklagten, denn in Bezug auf die offene Bewährung aus dem vorhergehenden Urteil, das in die aktuelle Strafe mit einbezogen wurde, "wäre eine Körperverletzung einschlägig gewesen", so der Richter, "dann hätte es vielleicht anders ausgesehen". So aber rang sich das Schöffengericht nach intensiver Beratung zu einer abermaligen Bewährungsstrafe durch.

Der bereits sechsmal - unter anderem wegen Diebstahls und Körperverletzungsdelikten - vorbestrafte Angeklagte zieht nach zuletzt 16 Jahren Heimaufenthalt nun zu seiner Schwester und ihrer Familie. Sein Schwager besorgt ihm offenbar einen Ausbildungsplatz, an dem er seine Lehre fortsetzen kann. Er sei sich sicher, "dass mein Mandant begriffen hat, welches Damoklesschwert jetzt über ihm hängt", sagte der Verteidiger. Der Angeklagte mache auf ihn "einen wesentlich besseren Eindruck als noch in der letzten Verhandlung", sagte auch der Richter: "Trotzdem gibt es noch Bedenken wegen der Bewährung - und das schreiben wir auch so ins Urteil". Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre und der 18-Jährige muss sich unangemeldeten Drogentests unterziehen sowie um einen Arbeitsplatz kümmern. Der Staatsanwalt hatte, letztlich vergeblich, ein Jahr Haft ohne Bewährung gefordert, denn der Angeklagte habe, wie die Vergangenheit zeige, "den Sinn der Bewährung offenbar nicht verstanden".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: