Freising:Der Kardinal ist besorgt

Freising: Am Stand des Bundes der deutschen katholischen Jugend verkleideten sich Amy Lombardi und Svenja Gutzeit (re.) für ein Erinnerungsfoto.

Am Stand des Bundes der deutschen katholischen Jugend verkleideten sich Amy Lombardi und Svenja Gutzeit (re.) für ein Erinnerungsfoto.

(Foto: Marco Einfeldt)

Am Wochenende strömen wieder Tausende Jugendliche zur Wallfahrt "Jugendkorbinian" auf den Domberg. Reinhard Marx warnt sie vor Hassmails, Aggression und einer zunehmenden Kälte in der Gesellschaft

Von Clara Lipkowski, Freising

Während die meisten Freisinger noch schliefen, strömten am Sonntagmorgen in aller Herrgottsfrühe etwa viertausend jugendliche Katholiken zum Domberg. Als um acht Uhr die Glocken läuteten, tummelten sich schon zahlreiche Jugendliche vor dem Dom. Eine halbe Stunde Zeit war noch bis zum großen Festgottesdienst mit Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx. Also erkundeten die Jugendlichen in Grüppchen das Gelände rund um den Mariendom. In Zelten gab es Infostände zum Thema Barmherzigkeit, dem Motto der diesjährigen Wallfahrt. Die "Wallfahreroase" und eine Jurte mit Lagerfeuer boten Raum, um sich zu stärken und vor allem: um sich aufzuwärmen. Denn die Jugendlichen waren bei Minusgraden aus den unterschiedlichen Orten des Erzbistums zur Wallfahrt "Jugendkorbinian" angereist.

Florian war mit seiner etwa 15-köpfigen Ministrantengruppe aus Allershausen zu Fuß in die Domstadt gepilgert. "Wir sind schon um vier Uhr morgens losgegangen", sagte der 13-Jährige, "unsere Strecke war 12,5 Kilometer lang, weil es dunkel war, hatten wir Fackeln dabei." In der Kälte war für die jungen Wallfahrer gesorgt worden: An mehreren Stationen stand Tee bereit. Außerdem konnten sich die Wanderer per QR-Code mit dem Smartphone über die Route informieren. Auch geistige Impulse waren geboten: "Wir haben zwischendurch gebetet oder waren einfach still miteinander", sagte Florian. Und was für Eindrücke von Barmherzigkeit hat er bekommen? Simon, ein Freund, springt ein: "Also, so, wenn man gut zu jemandem ist, ist der auch gut zu dir", erklärt er. "Die Goldene Regel halt", ergänzt Florian und kichert.

Bereits am Samstag hatten 60 Pilger die längste Route begangen. Knapp 40 Kilometer marschierten sie von der Münchner Frauenkirche zum Freisinger Dom. Dies war die ursprüngliche Wallfahrt gewesen, die seit 1942 alljährlich gefeiert und vom Erzbischöflichen Jugendamt organisiert wird. Am Samstagabend hatte das offizielle Programm auf dem Domberg begonnen und die Gläubigen in der "Kulturnacht" mit DJ-Musik und Lichtshows gefeiert und später gemeinsam gebetet.

Schnell füllten sich am Sonntagmorgen Kirchenschiff und Empore. In Schals und dicken Jacken nahmen die Jugendlichen auf mitgebrachten Sitzkissen in den Bänken oder auf dem Boden Platz, ratschten oder hielten ein Nickerchen. "Wir hatten nur drei Stunden Schlaf", erzählt Annalena aus Rosenheim, die als Firmling mit einer 30-köpfigen Gruppe per Zug angereist war und die Nacht in einer Freisinger Turnhalle verbracht hatte. Zum Aufwachen animierte die Gottesdienst-Band "The Circle's End" mit Gesang, Saxofon und Schlagzeug zu Morgengymnastik, für die die Jugendlichen grinsend Arme und Füße schüttelten.

Dann wurde es feierlich. Vor Ministranten, die große Flaggen schwenkten, erinnerte Kardinal Marx daran, wie Bischof Korbinian in Freising das Evangelium verkündet und die hiesige Kirche begründet hatte. Es wurde gebetet, sehr viel gesungen und die jugendlichen Zuschauer zeigten die einstudierten Einlagen zu den Klängen der Musik.

Dann wurde Marx politisch: "Ich bin besorgter als noch vor ein paar Jahren", sagte er, die Gesellschaft drohe in die Richtung "der Kälte, der Lüge, des Besserwissens" zu gehen. Im Internet entwickele sich mit Hassmails und Aggression eine "unbarmherzige Sprache" sagte er. "Ihr seid jung", rief er den Jugendlichen zu, "lasst euch nicht vom richtigen Weg abbringen."

Später diskutierte Marx im Roten Saal des Kardinal-Döpfner-Hauses vor etwa 100 Jugendlichen auf dem Podium mit Kirchenvertretern aus dem Landkreis. Auf die Frage, warum die Kirche immer weniger Jugendliche erreiche, kritisierte er deren Unbeweglichkeit: "Die Firmvorbereitung aber auch die Gottesdienste sollten mehr Schwung bekommen. Oft sehe ich in den Gemeinden, dass die nur rumhängen, da kommt nichts in Gang", sagte der Kardinal. Der Gottesdienst solle aber mehr bieten als ein Ritual, er solle auch Anlaufstelle sein. Außerdem könnten Gabenbereitung und Musik freier gestaltet werden. "Fürbitten sind manchmal 30 Jahre alt, das ist lieblos. Sie sollen Aktuelles widerspiegeln." Die moderne Gestaltung der Eucharistie in Freising gefiel dem katholischen Nachwuchs - er dankte es mit frenetischem Jubel und Applaus.

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