Freising:Dem Hopfen beim Wachsen helfen

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Den Landwirten fehlen jetzt in der Corona-Krise die Saisonarbeiter. Auf der Online-Plattform "www.daslandhilft.de" können Bauern ihre Angebote und Hilfswillige ihre Dienste einstellen. Die Resonanz ist groß, doch nicht jeder ist die Mühen eines Zehn-Stunden-Tages auf dem Feld gewohnt

Von Alexandra Vettori, Freising

300 000 fehlen, so lauteten die Schlagzeilen nach dem Schließen der Grenzen. Gemeint sind saisonale Arbeiter in der Landwirtschaft, die meist aus östlichen Nachbarländern kommen. Der Maschinenring hat mit Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums deshalb die Online-Plattform "www.daslandhilft.de" eingerichtet. Dort können Bauern ihre Stellenangebote und Hilfswillige ihre Dienste einstellen. Die Resonanz ist groß - vor allem bei den Helfern, besonders oft melden sich Studenten und Kurzarbeiter. Auch aus dem Landkreis Freising finden sich Einträge, hier sind besonders Hopfenbauern betroffen.

"Von der Resonanz her ist das wirklich sehr positiv", sagt zum Beispiel Hildegard Denk aus Heigenhausen bei Wolfersdorf. Sie gehört zu den kleinen Hopfenbauern, bewirtschaftet mit ihrem Mann 15 Hektar. Etliche Interessierte hätten auf ihr Angebot hin schon angerufen und gemailt, "wie sich das jetzt auswirkt und wie die durchhalten, da muss man schauen", sagt sie. Normalerweise arbeiten sie mit acht bis neun Saisonarbeitern aus Polen, einem seit Jahren festen Stamm. "Einer arbeitet schon so lange hier, mittlerweile ist sein Sohn dabei", erzählt Hildegard Denk, "das ist wie Familienanschluss, wir freuen uns immer, wenn wir uns wieder sehen. Und wenn sie kommen, wissen sie genau, was zu tun ist." Wegen des Coronavirus dürfen die Arbeiter nun aber weder aus Polen aus-, noch in Deutschland einreisen - auf unbestimmte Zeit.

Zur Aussicht, mit ungelernten und den körperlichen Mühen eines Zehn-Stunden-Tags im Hopfengarten nicht vertrauten Helfern zu arbeiten, kommt, dass die knapp 110 Hopfenbauern im Landkreis Freising ein Zeitproblem haben: Die nächste Arbeit, die getan werden muss, das "Hopfen zupfen", startet ungefähr ab 25. April, je nach Wetter. Dabei müssen an jedem Hopfen-Stock von bis zu 60 sprießenden Trieben die vier bis sechs Schönsten "angeleitet", also im Uhrzeigersinn um die gespannten Aufleitdrähte gewickelt werden, damit sie empor wachsen. Das ist sehr arbeitsintensiv, weil es flott gehen muss, ein Hopfentrieb wächst am Tag zehn bis 15 Zentimeter. Allein in der Hallertau arbeiten normalerweise 10 000 Hopfenzupfer.

Auch bei Stefan Gandorfer aus Kollersdorf bei Nandlstadt haben wohl schon 35 Leute angerufen, sagt er. Er baut nicht nur Hopfen an, sondern ist auch Vorsitzender beim Hopfenring mit Sitz in Wolnzach. Der Hopfenring berät Landwirte vor allem im Pflanzenbau, momentan aber vor allem beim Problem fehlender Arbeiter. So einfach, wie das die reinen Zahlen suggerieren könnten, läuft der Ersatz mit einheimischen Freiwilligen nämlich nicht. Das Problem mit den Studenten ist, dass diese momentan noch nicht wissen, ob das Sommersemester nun am 20. April beginnt oder nicht. Damit könnten sie in letzter Sekunde ausfallen.

Arbeitslose aber könne man kaum anstellen, da sei der bürokratische Aufwand zu groß, auch bei Mini-Jobbern oder Saisonarbeitern nach der 70-Tage-Regelung: "Da ist meine Frau eine Viertelstunde beschäftigt, und wenn der nach einem Vormittag wieder weg ist, ganz umsonst", so Gandorfer. Mit Arbeitslosen gehe es gar nicht, "die sind sozialversicherungspflichtig, können Sie sich den Aufwand vorstellen, den das für mich bedeutet, dafür, dass sie zwei Wochen bei mir arbeiten?" An der Stelle müsste der Gesetzgeber ganz schnell drehen, wünscht sich Gandorfer. Er kann sich als Ausnahme so etwas vorstellen, wie bei Honorarkräften, bezahlt wird die geleistete Arbeit, netto wie brutto, dafür zahlt der Arbeitgeber eine Summe x an den Staat. Immerhin, ein paar Helfer hat Gandorfer schon beisammen, rekrutiert auch aus kurzarbeitenden Flughafenmitarbeitern.

Flugzeug-Mechaniker Markus Bathke, 34, aus Freising ist derzeit auch in Kurzarbeit. Er hat sich als Helfer in die Plattform eingestellt, "weil ich es schade gefunden hätte, wenn Lebensmittel kaputt gehen und unsere Bauern finanziellen Schaden erleiden". Außerdem, fügt er hinzu, "freizeittechnisch ist man ja gerade eingeschränkt, da gibt es Schlimmeres, als Arbeiten an der frischen Luft". Gemeldet habe sich bei ihm aber noch kein Landwirt. So ist es auch bei Tobias von Kienlin aus der Gemeinde Neufahrn. Der 24-Jährige studiert Bauingenieurwesen und hat sich gemeldet, "allgemein, um rauszukommen und ein Taschengeld zu verdienen und natürlich aus Bierliebe, damit der Hopfen wächst".

Gerhard Stock, Geschäftsführer des Bauernverbands im Landkreis Freising, glaubt, dass der Landkreis Freising den Helfermangel alles in allem ganz gut abdecken wird, dank der Nähe zu Städten und des Flughafens. Erfahrungsgemäß braucht man im Freisinger Land 800 Helfer, nur fürs Hopfenzupfen. Stock hofft, dass die Krise auch etwas Positives hinterlässt, "vorher haben Bauern und Leute übereinander geredet, jetzt reden sie miteinander."

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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