Frauenhaus:Die Konzepte hinken der Zeit hinterher

Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) war zu Besuch im Erdinger Frauenhaus und versicherte, sich für einen Ausbau der Angebote und eine bessere Finanzierung einzusetzen

Von Florian Tempel, Erding

Der Freistaat Bayern will am liebsten in jeder Hinsicht das beste Bundesland sein. Doch es gibt Bereiche, da hinkt der Freistaat anderen Ländern deutlich hinterher. Laut einem im September 2013 vorgelegten Bericht der Bundesregierung ist die Zahl der Frauenhausplätze in Relation zur Gesamtzahl der Frauen nur im Saarland geringer als im Freistaat. Auch bei der Anzahl der Beratungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen belegt Bayern einen Platz ganz hinten. Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) war am Montag zu Besuch im Erdinger Frauenhaus und versicherte, sich für einen Ausbau der Angebote und eine bessere Finanzierung einzusetzen: "Es ist mir ein sehr wichtiges Anliegen, dass alle von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen bedarfsgerechte Unterstützung erhalten."

Müller war auf Einladung des Landesarbeitsgemeinschaft Bayern der freien Wohlfahrtspflege gekommen, um sich ein einem typischen, kleinen bayerischen Frauenhaus über die gravierenden Probleme einer solchen Einrichtung zu informieren. Die Leiterin des Erdinger Frauenhauses, Angela Rupp, sieht generellen Handlungsbedarf, nicht nur, weil es zu wenige Plätze gibt. Die Zahl der Wohnplätze beruht auf mehr als 20 Jahre alten Rechnungen. Rupp sagte: "Wir wünschen uns, dass das Konzept für die Arbeit in Frauenhäusern grundsätzlich überdacht wird." Denn die bayerischen Rahmenvereinbarungen zur Förderung der Frauenhäuser sind 30 Jahre alt. Doch seitdem hat sich die Arbeit und die Ansprüche an die Sozialpädagoginnen, die wie Rupp in einem Frauenhaus tätig sind, massiv geändert.

Rupp legte das an mehreren Fakten und Beispielen aus ihrer Arbeit dar. Die Zahl der Frauen mit Migrationshintergrund, die in einem Frauenhaus vor ihren gewalttätigen Partnern Zuflucht suchen, ist stark gestiegen. Von den 27 Frauen, die im vergangenen Jahr im Erdinger Frauenhaus aufgenommen wurden, waren mehr als die Hälfte keine deutsche Staatsangehörigen. Die kulturellen Unterschiede und vor allem die Sprachprobleme stellen die Frauenhausmitarbeiterinnen vor große Herausforderungen. Dazu komme, dass viele Frauen psychische Probleme, keine Arbeit und Schulden haben. Es sei fast unmöglich angesichts der vielen schwierigen Aspekten die einst vereinbarte Regelaufenthaltsdauer einzuhalten. "In sechs Wochen kann niemand ein neues Leben auf die Beine stellen", sagt Rupp.

Frauenhaus: Emilia Müller (2.v.l.) mit Angela Rupp (Mitte), Mitarbeiterinnen vom Sozialdienst katholischer Frauen und Landrat Martin Bayerstorfer.

Emilia Müller (2.v.l.) mit Angela Rupp (Mitte), Mitarbeiterinnen vom Sozialdienst katholischer Frauen und Landrat Martin Bayerstorfer.

(Foto: oh)

Das funktioniere oft schon aus praktischen Gründen nicht. Es sei kaum jemals zu schaffen, einen Hartz IV-Antrag in so kurzer Zeit durchzukriegen. Die nötigen Urkunden, Unterlagen und Bankauszüge zu besorgen, die oft noch beim Partner lägen, "ist häufig eine enorme Kleinarbeit", sagt Rupp. Das allergrößte Problem sei es schließlich, eine neue Wohnung für die Frauen zu finden. Dass sie "nicht die ganz großen Chancen auf dem Wohnungsmarkthaben", schon gar nicht auf dem leer gefegten Wohnungsmarkt im Großraum München, dürfte jedem klar sein.

Rupp verweist zudem auf einen ganz besonderer Punkt, dem bislang viel zu wenig Beachtung geschenkt worden sei: "Auch den Kinder sollte das gleiche Maß an Aufmerksamkeit zuteil werden wie ihren Müttern." Neue Studien hätten klar gemacht, dass Kinder, auch wenn sie nicht selbst Opfer von Gewalt geworden sind, professionelle Hilfe brauchen: "Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben, sind selber Betroffene."

Müller sagte, als "ersten Schritt" für Verbesserungen sei eine bayernweite Bedarfsermittlungsstudie in Arbeit. " Nach Vorliegen der Ergebnisse werden wir gemeinsame Konsequenzen mit den Kommunalen Spitzenverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern erörtern."

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