Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:Kurden droht am Freitag die Abschiebung

31-Jähriger wurde am Mittwoch im Landratsamt Erding festgenommen

Von Florian Tempel, Erding

Vor vier Jahren war der Kurde Heybet Sener aus der Türkei geflüchtet und im Juli 2018 in Deutschland angekommen, um hier politisches Asyl zu beantragen. Am Mittwoch wurde der 31-Jährige, der seit mehr als zwei Jahren in der Oberdinger Asylunterkunft lebte, im Landratsamt Erding festgenommen, wo er eigentlich einen Termin für die Verlängerung seiner Aufenthaltsduldung hatte. Seit Mittwochnachmittag befindet er sich in Abschiebehaft am Flughafen München. An diesem Freitag soll er in die Türkei abgeschoben werden. Um 13.45 Uhr startet der Flug nach Istanbul. Nach der Landung wird er wohl direkt von der türkischen Polizei festgenommen und inhaftiert werden.

Kerem Schamberger, Linken-Politiker aus München, und Azad Bingöl, Mitglied des Migrationsbeirats der Landeshauptstadt, versuchen in aller Eile, Unterstützung für Heybet Sener zu organisieren und die so rigoros durchorganisierte Abschiebung zu stoppen. Sie haben eine Petition im Landtag eingereicht und Abgeordnete mobilisiert, um bei Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine Härtefall-Entscheidung pro Heybet Sener zu erreichen. In einer Pressemitteilung schreiben sie, dass er in der Türkei "in politisch motivierten Verfahren unter anderem wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation - gemeint ist die PKK - zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt" worden sei. Er sei zudem in der Haft gefoltert worden. Durch offene Verfahren wegen angeblicher Terrorpropaganda und Präsidentenbeleidigung drohten ihm viele weitere Jahre in Haft. Seine Asylanträge in Deutschland seien mit der Begründung abgelehnt worden, sagt Schamberger, "dass die Verfahren in der Türkei rechtsstaatlichen Prinzipien folgen würden". Doch davon könne keine Rede sein, kritisieren Schamberger und Bingöl: "Die zahlreichen inhaftierten kurdischen ParlamentarierInnen und BürgermeisterInnen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) sind ein Beleg dafür." Heybet Sener habe in der Türkei "keine Chance auf ein rechtsstaatliches Verfahren, in dem er sich angemessen verteidigen kann".

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Quelle:
SZ vom 04.02.2022
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