Süddeutsche Zeitung

Oberding:Jetzt ist es amtlich

Ein abgelehnter Asylbewerber, der die Haft wegen eines Sexualdelikts abgesessen hat, zieht ein. Deswegen müssen vier Flüchtlingsfamilien weichen

Von Regina Bluhme

Erding/OberdingDie vier Familien der Flüchtlingsunterkunft Aufkirchen sind weg, am Montag mussten sie aus der Oberdinger Anlage ausziehen. Sie mussten gehen wegen eines Neuzugangs: Für den wegen eines Sexualdelikts verurteilten Mann gelten strenge Auflagen. Er muss eine Fußfessel tragen und er darf nicht mit Frauen in einer Anlage untergebracht werden. Die Kommunikation seitens der Regierung steht weiter in der Kritik. Der örtliche Helferkreis, die Gemeinde Oberding, die Stadt Erding und das Landratsamt kritisieren die Neubelegung.

Bei dem Mann handelt es sich um einen abgelehnten Asylbewerber, der seine Strafe von drei Jahren und fünf Monaten in Bayreuth abgesessen hat, und zwar vollständig. Er konnte bislang nicht abgeschoben werden, weil aus seinem Herkunftsland noch keine Entscheidung für eine Rücknahme vorliege, sagt Wolfram Herrle, Leitender Oberstaatsanwalt aus Ingolstadt. Die Zuständigkeiten sind komplex: Verurteilt wurde der Flüchtling wegen eines Sexualdelikts am Amtsgericht Ingolstadt, wo er seinen Wohnsitz hatte. Die Haft verbüßt der Asylbewerber aufgrund eines bayernweiten Vollstreckungsplans in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth. Deswegen ist auch das Landgericht Bayreuth für die Auflagen zuständig. Der Mann muss demnach eine Fußfessel tragen und ist einem Bewährungshelfer unterstellt. Außerdem darf er die Unterkunft nachts nicht verlassen. Für die Unterkunft selbst gibt es Vorgaben, schrieb der Träger, die Regierung von Oberbayern. "Für die Sicherheit innerhalb der Unterkunft sorgt insbesondere der rund um die Uhr eingesetzte Sicherheitsdienst. Die Sicherheit außerhalb der Unterkunft ist Aufgabe der Polizei, die in den Vorgang von Anfang an intensiv eingebunden war." Die Unterkunft solle sich im Großraum München befinden - und es sollen keine Frauen dort untergebracht sein.

Die Familien, elf Personen, sind in andere Unterkünfte verlegt worden. Darunter eine Familie aus Afghanistan mit zwei Kindern (zwölf und 14 Jahre), die Mutter ist wieder schwanger, und eine Alleinerziehende aus Afghanistan mit einer 14-jährigen Tochter. "Alle waren gut integriert mit Plätzen in der Schule und im Kindergarten", sagt Andrea Hartung. "Beim Umzug haben Familien und Helfer geweint."

Es seien alle in Betracht kommenden Unterkünfte "sorgfältig geprüft worden", betont Martin Nell, Pressesprecher der Regierung von Oberbayern. Letztendlich sei man zum Schluss gekommen, dass die Gemeinschaftsunterkunft Oberding "noch am ehesten die von der Justiz geforderten Eigenschaften aufweist". Nach einem Ortstermin Anfang letzter Woche unter anderem mit der Kripo Erding wurde die Unterkunft "als grundsätzlich geeignet eingestuft", fügt er hinzu. "Am nächsten Tag" habe ein Mitarbeiter der Regierung in einem Telefonat auf Arbeitsebene mit einer Mitarbeiterin des Landratsamt Erding den Vorgang angesprochen", heißt es weiter in der Pressemitteilung. Eine schriftliche Information sei nicht erfolgt, räumt er ein. Noch am Mittwoch erreichte die Redaktion der SZ ein Schreiben des Landratsamts Erding: "Im Zusammenhang mit der eben erfolgten Stellungnahme der Regierung von Oberbayern möchten wir darauf hinweisen, dass das angesprochene Telefonat zwischen den Mitarbeitern der ROB und des Landratsamtes erst am vergangenen Mittwoch erfolgt ist und die Thematik lediglich am Rande erwähnt wurde", heißt es dort.

Erst nachdem Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) am Montag selbst telefonisch zu diesem Sachverhalt bei der Regierungsvizepräsidentin um Auskunft gebeten habe, "wurden ihm nähere Details mitgeteilt", schreibt die Pressestelle. Am späten Nachmittag kam dann eine gemeinsame Pressemitteilung von Landrat Martin Bayerstorfer, Erdings Oberbürgermeister Max Gotz und des Bürgermeisters von Oberding, Bernhard Mücke, alle drei CSU. Sie protestieren gegen die Zuweisung und fordern "dass diese falsche Entscheidung unmittelbar revidiert wird."

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SZ vom 17.05.2018
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