Süddeutsche Zeitung

Barbara Stamm zur Flüchtlingspolitik:Vage Hoffnung auf Besserung

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Die Landtagspräsidentin verspricht, der geringen Zahl von Arbeitserlaubnissen für Flüchtlinge in Erding nachzugehen. Doch sie verteidigt auch die Staatsregierung.

Von Thomas Jordan, Aufkirchen

Es brodelt weiter in der Flüchtlingspolitik im Landkreis Erding. Das hat eine Podiumsdiskussion am Dienstagabend in der mit etwa 150 Zuhörern bis auf den letzten Platz besetzten Aula der Montessorischule Aufkirchen gezeigt. Vertreter von Flüchtlingshilfsorganisationen und interessierte Bürger hatten auf Einladung von Maria Brand, Vorsitzende der AGA (Aktionsgruppe Asyl Erding), mit der Präsidentin des bayerischen Landtags, Barbara Stamm, MdL (CSU), sowie Wirtschafts- und Kirchenvertretern die Frage diskutiert, wie die berufliche Integration von Flüchtlingen besser gelingen kann. Bestimmt wurde die engagierte, mitunter auch emotional geführte Diskussion an diesem Abend von der Tatsache, dass Flüchtlingen im Landkreis Erding deutlich weniger Ausbildungs- oder Arbeitserlaubnisse genehmigt werden als anderswo. Maria Brand kritisierte vor allem, dass Flüchtlinge nach erfolgreich absolvierten Praktika von Erdinger Firmen Ausbildungszusagen erhielten,sie aber wegen fehlender Arbeitserlaubnis vom Landratsamt nicht wahrnehmen könnten.

Michael Stenger war einer der Teilnehmer auf dem Podium. Mit seinem Verein SchlaU-Schule hilft der Münchner seit Jahren Flüchtlingen, sich zu qualifizieren, um den deutschen Mittelschulabschluss zu erreichen. Für ihn ist die Situation in Erding ein Unding: "Menschen zum Nichtstun zu verurteilen, kann nur zu gesellschaftlichem Unfrieden führen", Flüchtlinge würden durch die verweigerte Arbeitserlaubnis "anfälliger für Fehlverhalten und Radikalisierung", sagte Stenger.

Das sah Hubert Heinhold ähnlich. Der auf Asyl- und Ausländerrecht spezialisierte Anwalt versuchte mehrmals die Diskussion auf den Ermessensspielraum der Ausländerbehörden zurückzuführen. Denn bei all jenen Flüchtlingen, die keinem generellen oder zeitlichen Arbeitsverbot unterlägen, liege es an den jeweiligen Landratsämtern "sämtliche Umstände für und gegen Erwerbstätigkeit gegeneinander abzuwägen". Und seit etwa zwei Jahren, so der Jurist, werde in Bayern in dieser Frage vermehrt nach dem Motto "Aufenthaltsbeendigung geht vor Ausbildung" entschieden. Ein Zuhörer an diesem Abend konnte sich nicht verkneifen, auf einen Zusammenhang mit den bevorstehenden Landtagswahlen und dem Erstarken der AfD hinzuweisen.

Auf die Diskussion von Ermessensspielräumen wollte sich Barbara Stamm nicht einlassen. Die Politikerin wirkte an diesem Abend hin- und hergerissen. So zeigte sich die Landtagspräsidentin über weite Strecken zwar als energische Verteidigerin der Flüchtlingspolitik der bayerischen Staatsregierung. Schon die Zahlen der Wirtschaft bewiesen, "dass wir die Integration wollen" sagte die 73-Jährige. Christof Prechtl von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) sprang Stamm dabei mit konkreten Fallzahlen zur Seite. Knapp 60 000 Flüchtlinge seien in Bayern seit Ende 2015 in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse gebracht worden. Der Leiter der Abteilung Bildung und Integration der VBW äußerte aber auch vorsichtige Kritik: Es sei nicht hundertprozentig nachvollziehbar, dass in Ausländerämtern unterschiedlich entschieden würde. Stamm verteidigte auch die bestehende Regelung, dass Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten keine Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland haben. Schließlich hätten den Beschluss neben der CSU im Bundesrat auch SPD, Grüne und FDP mitgetragen.

Auf das ironische Gelächter und die Kritik aus dem Publikum, die ihren Aussagen an diesem Abend mitunter entgegenschlugen, reagierte die Landtagspräsidentin irgendwann mit dem genervten Eingeständnis:"Ich weiß, ich rege Sie auf."

Dabei signalisierte Stamm aber auch Sympathie dafür, die Arbeitssituation der Flüchtlinge im Landkreis zu verbessern. Sie betonte: "Wir müssen uns um die Menschen kümmern", auch wenn sie nur eine geringe Bleibeperspektive hätten. Es sei besser, die Menschen mit Ausbildung zurückzugeben als ohne. In Bezug auf die niedrigen Arbeitserlaubnisse im Landkreis Erding kündigte sie an: "Wir werden der Geschichte nachgehen." Eine Mitarbeiterin von ihr soll sich nun darum kümmern. Sie bot auch an, einzelne Fälle zu prüfen, in denen Flüchtlingen keine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei. Dafür gebe es entsprechende Institutionen auf Landesebene: "Wir haben den Petitionsausschuss und die Härtefallkommission." Die Zuhörer in der Aula der Montessorischule konnte sie damit nicht immer überzeugen. So kritisierte ein Redner ein "Wegschieben der Verantwortung" für die Flüchtlinge in der Politik.

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Quelle:
SZ vom 08.03.2018
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