Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingshelfer im Stadtrat:Der Druck nimmt zu

Ein Bericht über die Situation zeigt, dass die ehrenamtlichen Helfer nicht den Stellenwert genießen, den sie sich erhoffen. Die Stadt Erding will nun einige ihrer Wünsche prüfen, um die Belastung zu mindern

Von Antonia Steiger, Erding

Die Belastung für Menschen, die sich um Flüchtlinge kümmern, steigt. Das machten drei Vertreterinnen deutlich, die auf Initiative von SPD, ÖDP, FW und Grüne in der Sitzung des Erdinger Stadtrates erläuterten, wie ihre Arbeit aussieht, wo die Probleme liegen und wo sie unbedingt Hilfe benötigten. Eines wurde vor allem deutlich: Die ehrenamtliche Arbeit für Flüchtlinge genießt nicht den Stellenwert, den sich die Beteiligten erhoffen. Immer mehr springen wegen der hohen Belastung ab, und damit steigt der Druck für die anderen. Es gibt konkrete Forderungen auch an die Stadt Erding. Sie reichen von Zeichen der Anerkennung bis zu dringend benötigten Räumen. OB Max Gotz (CSU) sagte zu, die Wünsche zu prüfen und für eine Diskussion im Stadtrat aufbereiten zu lassen.

Auf drei Schienen läuft die Flüchtlingshilfe in Erding: Der Verein Flüchtlingshilfe kümmert sich im Warteraum Asyl um die Menschen, die eingeflogen und auf die Bundesländer verteilt werden. Die Arbeitsgruppe Asyl betreut die anerkannten Flüchtlinge, die bleiben dürfen, und diejenigen, die noch auf eine Entscheidung warten. Margot Hoigt schilderte die Zustände in Containern, in denen nicht nur diejenigen leben, die noch auf eine Entscheidung warten: kaputte Heizungen, Toiletten und Küchen, die nicht trockenen Fußes zu erreichen sind, zu wenig Duschen, zu wenig Toiletten, verstopfte Rohre - und ehrenamtliche Helfer, die den Menschen in allen erdenklichen Notlagen helfen, die aber an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kämen.

"Wir sind ausgebrannt. Aber wenn wir nicht helfen, wird das Zusammenleben noch schwerer." Auch Angelika Hofmann sagte: "Viele geben auf, neue lassen sich nur schwer rekrutieren." Mehrere Stadträte wie Petra Bauernfeind (FW) und Helga Stieglmeier (Grüne) betonten die besondere Bedeutung der ehrenamtlichen Unterstützung. "Der Frust ist ansteckend", sagt Bauernfeind. "Wenn die Helfer wegbrechen, dann haben wir ein Problem." Dann würden die "Konflikte durch die Unterbringung noch schlimmer" werden, sagte auch Stieglmeier.

Auch an der Stadtspitze ist die Botschaft angekommen. Gotz sagte zu, die Liste an Wünschen und Forderungen zu überprüfen. Auch er sagte, dass die Situation "nicht zu bewältigen wäre ohne die ehrenamtliche Hilfe". Und er machte deutlich, dass er für die kommenden Jahre damit rechne, dass die "Völkerwanderung" nicht abbreche. "Da brauchen wir uns keine Illusionen machen." Knapp eine Million Menschen stünden an der libyschen Küste, die "nicht in ihr Land zurückkehren werden".

Sabrina Tarantik erläuterte die Schwierigkeiten der Flüchtlingshilfe im Warteraum Asyl: Ihr zufolge hat der Verein derart hohe Verwaltungskosten, dass er seine Einnahmen, die ausschließlich auf Spenden beruhen, nicht mehr für den eigentlichen Vereinszweck verwenden könne, sondern für Versicherungen, Büromaterial, Rechtsberatungen, Telefonkosten und Mitgliedergewinnung. Die Auflagen für Versicherungen seien von Anfang an gleich gewesen, doch die Spendenbereitschaft habe seit 2015 stark nachgelassen, sodass nun kein Geld mehr übrig bliebe für den eigentlichen Vereinszweck: die Versorgung Hilfsbedürftiger. Tarantik betonte, dass der Verein alle Kleiderspenden für Hilfsbedürftige verwende. Auch die Helferkreise in den Landkreisen könnten sich im Warteraum abholen, was sie benötigen. Was übrig bleibe, gehe in die Ukraine und nach Rumänien. "Wir verkaufen nichts", sagte Tarantik. Bis jetzt haben mehr als tausend Menschen ehrenamtlich im Warteraum geholfen, derzeit gebe es etwa hundert aktive Helfer, die Hälfte davon Asylbewerber.

Die Wunschliste der Flüchtlingshelfer nahm die Stadtpolitik zur Kenntnis. So sagte Hoigt, man würde sich einen Ämterlotsen wünschen, der nicht nur Flüchtlinge, sondern alle betreue, die Hilfe bräuchten. Auch einen Ansprechpartner im Stadtrat wäre ein Wunsch, den Angelika Hofmann formulierte. Vor allem brauchen die Organisationen aber Räume für Computerarbeiten, Lager und Besprechungen und äußerten die Hoffnung, im alten Postgebäude unterzukommen, in dem auch die Tafel Erding einziehen wird.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2017
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