Flüchtlinge in Erding:Schulabschluss gegen alle Widrigkeiten

Flüchtlinge in Erding: Ahmad aus Afghanistan hat einen Abschluss in Deutschland gemacht und bereitet sich nun auf eine Berufsausbildung vor.

Ahmad aus Afghanistan hat einen Abschluss in Deutschland gemacht und bereitet sich nun auf eine Berufsausbildung vor.

(Foto: Renate Schmidt)

Ahmad kam vor zwei Jahren aus Afghanistan nach Deutschland, in Erding hat er einen Schulabschluss gemacht. Der Weg dahin war schwer - nicht zuletzt, weil er plötzlich keine Fahrkarte mehr bekam.

Von Sebastian Fischer, Erding

Der graue Rucksack, den Ahmad trägt, ist leicht. Es ist ja nur ein Papier darin, das der junge Mann aus Afghanistan, der vor weniger als zwei Jahren nach Deutschland kam, auf der Bühne im Erdinger Jugendzentrum gezeigt hat: sein Abschlusszeugnis, Notenschnitt 2,0. In den vergangenen Monaten jedoch hatte Ahmad einen schweren Rucksack zu tragen. Und daran war auch die Politik schuld.

Zehn Flüchtlinge wurden nun geehrt, sieben zeigten auf der Bühne ihre Zeugnisse, Mittelschulabschlüsse wie bei Ahmad, manche mit Qualifikation. Sie lächelten stolz und berichteten von ihren Plänen, Ausbildungen zu beginnen, als Schneider, Gärtner, Zahntechnikerinnen, Pflegerinnen. Mitglieder des Gewerbevereins saßen im Publikum - manche suchen ja noch Lehrlinge. Ahmad wird sich bei der Innung für Elektrotechnik München auf eine Ausbildung vorbereiten.

Perspektiven für jugendliche Flüchtlinge

Hoffnungsvolle, zukunftsweisende Botschaften waren das, während vielerorts gerade der Flüchtlingsnotstand ausgerufen wird. Mit Hilfe der Erdinger Aktionsgruppe Asyl (AGA) um Maria Brand und zahlreiche weitere Ehrenamtler haben sich die Jugendlichen Perspektiven geschaffen. "Wir haben Grund zum Feiern", sagte Brand, doch sie mahnte auch: "Es ist nicht alles locker und leicht gegangen." Zum Beispiel, als sich Ahmad im Juni seine Fahrtkosten von Erding nach München - wo er sich im Rahmen des Projekts "Flüchtlinge in Beruf und Schule" an der Volkshochschule auf seine Abschlussprüfung vorbereitete - erstatten lassen wollte. Das Landratsamt hatte ihm das Geld für die Fahrkarte von September 2014 an jeden Monat gezahlt. Doch dann, mitten im Schuljahr, hieß es plötzlich, das ginge nun leider nicht mehr.

Am Dienstag schüttelten viele den Kopf, als sie die Geschichte hörten. Ahmad ist 20 Jahre alt und damit berufsschulpflichtig, hat so Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten. Aber immer wieder stehen jungen Menschen wie ihm bürokratische Hürden im Weg. "Fakt ist, dass die Kostenfreiheit des Schulwegs hier nicht greift, weil es sich nicht um eine anerkannte Schule handelt", sagt eine Sprecherin des Landratsamtes. Man habe die Fahrtkosten "in der Vergangenheit aus Kulanz übernommen, was nicht zulässig war und mit Zunahme der Flüchtlingszahlen dann eingestellt werden musste." Brand sagt, sie habe auch die Beratung der Flüchtlinge vermisst, wie es weitergehen könnte. "Das Problem ist uns bekannt, wir suchen bereits nach einer Lösung", sagt die Sprecherin. Gerade gibt es einen weiteren Fall: Ein in Erding wohnhafter Berufsschüler sollte nach einem Jahr aus München zurück nach Erding wechseln, wo jetzt ein Platz frei geworden ist. Selbst die Münchner Berufsschule wehrte sich dagegen, der Schüler darf nun bleiben - ohne Fahrtkostenerstattung.

Ein schwieriger, aber erfolgreicher Weg

"Es war ein Problem, aber es war nicht sinnvoll, aufzuhören", sagt Ahmad in sicherem Deutsch. Natürlich reichte sein Taschengeld nicht, um die 124 Euro für das Ticket aufzuwenden. Er hat Erspartes geopfert und im Juli zahlte sein Nachhilfelehrer. Die AGA wird das Geld erstatten, sagte Brand, die am Mittwoch noch eine schlechte Nachricht hatte: Sie habe von der Erdinger Berufsschule erfahren, dass die nachfolgende Generation der von der AGA unterstützten Absolventen, weit mehr als zehn, keine Berufsschulplätze bekommen werden - nichts mehr frei. Vielleicht können sie die Zeit mit Praktika überbrücken.

Ahmad hat gewusst, dass er es nicht einfach haben würde auf seinem Weg zu einem Ausbildungsplatz. Er hatte, sagen seine Lehrer, so gut wie keine Grundkenntnisse in Mathematik. Doch "jeder hat ein Ziel. Und um das zu erreichen, muss man arbeiten", sagt er. In seinem Fall hieß das: lernen. Bis Mai lebte er in einem Container hinter dem Korbinian-Aigner-Gymnasium auf engem Raum mit neun anderen Flüchtlingen, er suchte sich seine Ecken zum Studium. Er hat auch Praktika gemacht, eins als Kfz- und eins als Anlagenmechaniker, stand um 4 Uhr morgens auf.

Auf der Bühne bedankte er sich am Dienstag bei allen Helfern, ließ keinen Namen aus. Astrid Martin, seine erste Lehrerin an der VHS, umarmte ihn und sagte: "Ich habe geholfen. Aber gemacht hast Du das alles allein." In Mathe, da hatte Ahmad am Ende eine Eins.

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