Flora auf 13 Kilometer Länge ausgelöscht:Kitt für den Scherbenhaufen

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Mit Neubesatz und ökologischen Maßnahmen wurde 2017 versucht, die Folgen von verheerenden Schäden in heimischen Flüssen und Bächen wieder wettzumachen. Denn Krebse, Koppen und Muscheln verschwinden

Von Thomas Daller, Landkreis

Der Mensch verändert die Natur. Durch den Maisanbau sind viele Ackerrandstreifen und Feldgehölze verschwunden, die Jäger beklagen, dass es kaum noch Hasen und Fasane gibt, weil das ihre Rückzugsräume waren. Stattdessen vermehren sich Wildschweine, weil Mais für sie Mastfutter ist. Aufgrund des Klimawandels überwintern immer mehr sibirische Saatkrähen im Landkreis und die ersten Asiatischen Tigermücken, die gefährliche Krankheiten übertragen können, sind auf dem städtischen Friedhof in Erding nachgewiesen worden. Besonders dramatisch kann es Flüsse und Bäche treffen, wenn Menschen Fehler machen. Anfang 2017 stand man bei der Goldach, der Sempt und Isen vor einem ökologischen Scherbenhaufen, den man zu kitten versuchte.

In der Goldach hatte sich im Oktober 2016 die bislang verheerendste Gewässervergiftung in Bayern zugetragen: 3600 Liter eines Holzschutzgemischs waren aus dem Tauchimprägniertank eines Sägewerks bei Sankt Wolfgang in den Bach geflossen. Auf 13 Kilometern bis zur Mündung in die Isen wurde die komplette Fauna ausgelöscht. In dem Bach, der durch Sankt Wolfgang und Schwindkirchen fließt, gab es neben Bachforellen auch vitale Bestände der seltenen Mühlkoppen und das letzte natürliche Vorkommen von Edelkrebsen im Landkreis. 2017 bemühten sich die Regierung von Oberbayern, das Landesamt für Umwelt und vier Wasserwirtschaftsämter, den Edelkrebs in einem Pilotprojekt wieder anzusiedeln. Für sie war es ein Referenzfall, in dem man beobachten konnte, wie lange es dauert, bis in diese Todeszone wieder Leben zurückkehrt. Einmal pro Quartal fanden Untersuchungen statt, bei denen Fachleute in Wathosen schlüpften und nach Insektenlarven suchten; nach Indikatoren, ob eine erneute Besiedlung stattfindet. Im Oktober dieses Jahres war es dann soweit, dass man den Versuch wagte: 1000 Krebse wurden in die Goldach eingesetzt und werden seither regelmäßig beobachtete, ob sie dort wieder Fuß fassen können. Sie stammen zwar aus einer Zucht und sind nicht so perfekt angepasst wie der alte Bestand, der sich seit der letzten Eiszeit in der Goldach entwickelt hat. Aber dieser Genpool ist nun einmal verloren.

Auch in der Sempt hatte sich 2016 eine ökologische Katastrophe zugetragen: Bei der Sanierung des Erdinger Stadtwehrs hatte das Wasserwirtschaftsamt den Pegel bis auf eine Restwassermenge absenken lassen. Das Restwasser staute sich jedoch noch in der Stadt und bis zur Mündung in die Isar bei Moosburg fiel das Bachbett trocken. Hunderte Fische verendeten, darunter auch die äußerst seltenen Groppen, auch Mühlkoppen genannt. 2017 brachte die Flussmeisterstelle Freising unterhalb des Wehrs neue Elemente wie Buhnen oder Totholz ein. Dadurch entstehen zusätzliche Strukturen und Lebensräume, beispielsweise Nahrungshabitate und Verstecke vor Fressfeinden. Auch neue Laichplätze wurden geschaffen. Ob allerdings auch die Mühlkoppen zurückkehren ist eine Frage von langen Zeiträumen. Diese Fischart hat keine Schwimmblase und ist daher ein schlechter Schwimmer. Eine Zuwanderung kann Generationen dauern.

Ins Leere lief 2017 ein drittes Projekt, mit dem man im FFH-Gebiet der Isen Bachmuscheln und Mühlkoppen erhalten wollte. Bis auf winzige Restbestände im Quellgebiet von Nebenbächen sind die Tiere ausgestorben. Die Regierung von Oberbayern legte einen Managementplan auf und wollte Landwirte mit finanziellen Förderprogrammen dafür gewinnen, mit Uferrandstreifen die Gewässer zu schonen. Die Landwirte lehnten das Vorhaben rundweg ab.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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