Die Große Kreisstadt Erding hat bereits sehr viel Zeit, Personal und Geld in die Planungen für ein neues Stadtviertel am Fliegerhorst gesteckt. Die Bundeswehr ist dort größtenteils abgezogen, 2025 sollte der Verkauf der Flächen endlich über die Bühne gehen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Nun erklärt das Bundesministerium für Verteidigung, dass der Fliegerhorst Erding „grundsätzlich nicht aufgegeben wird“. Was heißt das jetzt für die Stadt?
„Wir können derzeit nicht sagen, in welcher Dimension wir unsere Planungen weiterverfolgen können“, sagt Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) auf Nachfrage der SZ. Jetzt heiße es Abwarten. „Alles andere ist Spekulation.“ Dabei ist die Entwicklung eines neuen Stadtviertels schon recht weit gediehen. Den städtebaulichen Wettbewerb für ein 190 Hektar großes Areal auf der Konversionsfläche hatte 2021 das Büro Hähnig Gemmeke aus Tübingen gewonnen. Geplant wird ein Viertel für über 6000 Bewohner und Bewohnerinnen. Das Gelände soll einmal durchzogen sein von einem autofreien zentralen Bereich, einem „Boulevard“, während der motorisierte Verkehr von außen abgefangen wird. Es sind Kitas und Schulen geplant.
351 Hektar von den über 440 Hektar Gesamtfläche wären ursprünglich für eine Umnutzung zur Verfügung gestanden und die Große Kreisstadt hätte gern zugeschlagen. Eigentlich sollte der Kauf längst in trockenen Tüchern sein. Doch die Bundeswehr zog im Herbst 2024 kurz vor Schluss die Kündigung für den Fliegerhorst Erding vorerst zurück. Zuletzt hieß es, Ende 2025 sollten die Verhandlungen abgeschlossen sein. Dann wackelte auch dieser Termin. Jetzt schreibt das Bundesverteidigungsministerium, der Schließungsbescheid sei „aufgrund der veränderten Sicherheitslage“ durch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bereits aufgehoben worden. Die Flächen würden weiterhin für die Bundeswehr benötigt.
Betroffen von der veränderten Sicherheitslage ist auch der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Auch hier gab es Pläne seitens der Kommune für Wohnen und Arbeiten. Jetzt ist klar: Das Militär wird den Standort nicht aufgeben, der für das Jahr 2030 geplante Abzug ist vom Tisch.
Das Verteidigungsministerium schreibt, dass in Erding dennoch die „Umsetzung wichtiger ziviler Infrastrukturvorhaben“ durch Flächenabgaben an die Stadt ermöglicht werden soll. Genannt wird „z.B. der Erdinger Ringschluss mit neuem Bahnhof“.


Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) erwähnte das Thema kürzlich im Stadtrat: Zumindest die Bahnprojekte wie Ringschluss und Erdinger Bahnhof seien nicht gefährdet und unstrittig, hieß es dazu vom Erdinger Oberbürgermeister. Am künftigen Bahnhof am jetzigen Eingangsbereich des Fliegerhorsts werden sich einmal die S-Bahn-Linie zwischen München und dem Flughafen sowie die Verbindung der Regionalbahn der Strecke München – Mühldorf kreuzen. Der erste Teilabschnitt des Ringschlusses zwischen dem Flughafen München und Schwaigerloh befindet sich im Bau. Die letzten Teilstücke in Richtung Stadt Erding befinden sich aktuell im Genehmigungsverfahren. Er gehe davon aus, dass in Kürze die Planfeststellung beantragt werde, sagte Gotz der SZ.
Nicht lange warten will das Verteidigungsministerium mit seinen Plänen am Fliegerhorst Erding. Dort befindet sich seit 2022 das Innovationslabor (Inno-Lab) mit direkter Anbindung an das Wehrwissenschaftliche Institut für Wehr- und Betriebsstoffe. Im Lab werden bereits Drohnen und unbemannte Fahrzeuge erprobt. Jetzt wird das Lab zu einem Innovationszentrum für militärische Forschung erweitert. Das gab Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beim Besuch im Juli dieses Jahres bekannt. Militärische und zivile Kräfte sollen gebündelt werden, in Erding sollen Firmen, Hochschulen und Einrichtungen der Bundeswehr forschen – und das so schnell wie möglich.
Die Bayerische Staatsregierung arbeite im Rahmen der Initiative für das neue Forschungszentrum, oder auf Englisch: Defense Lab Erding, eng mit dem Bundesministerium der Verteidigung und der Stadt Erding zusammen, um den ehemaligen Fliegerhorst „zu einem bundesweit führenden Innovationsstandort für Verteidigungstechnologien umzubauen“, schreibt die Bayerische Staatskanzlei. Mit dem Drohnenzentrum der Bayerischen Polizei und der Ansiedlung von ziviler Forschung an Verteidigungs- und sogenannten Dual-Use-Technologien – sowohl zivil als auch militärisch – werde der Freistaat einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau des Innovationscampus DLE leisten.


Pläne hegt auch die Regierung von Oberbayern für einen Teil des Fliegerhorstgeländes. Ende Oktober 2024 wurde bekannt, dass im südwestlichen Teil eine Anker-Einrichtung, eine Erstaufnahmestelle für etwa 500 Geflüchtete, eingerichtet werden soll. Geschehen ist seitdem nichts. Die Planungen zur künftigen Nutzung seien aber „nach wie vor unverändert“, schreibt die Regierung von Oberbayern kürzlich auf Nachfrage. „Die dafür notwendigen Herrichtungsarbeiten können aber erst dann in Auftrag gegeben werden, wenn die Verhandlungen mit dem Bund erfolgreich abgeschlossen sind.“
Angesichts des Ukraine-Kriegs habe er durchaus Verständnis für die neue Lage, sagt OB Max Gotz. Auch wenn jetzt nicht alles so kommt, wie ursprünglich erhofft, habe die Stadt aufgrund der Planungen der letzten Jahre, die mit großer Bürgerbeteiligung erfolgt seien, „unheimliche Kompetenzen“ erworben. „Wir warten jetzt ab. Wir sind parat.“

