Fliegerhorst:Einfach mal rübergehen

Der Siegerentwurf des Büros Hähnig-Gemmeke für das militärische Areal sieht Synergien für alle vor. Auch die Alteingesessenen haben Grund, sich auf die Zukunft Erdings zu freuen

Von Antonia Steiger, Erding

Die Erdinger wissen es noch gar nicht, aber bald bekommen sie einen neuen Park, ohne dass jemand das ernsthaft so geplant hätte. Bis zu 70 Jahre alte Bäume stehen auf dem Fliegerhorst-Areal. Bald können sich die Erdinger zu Fuß oder mit dem Rad dort bewegen. "Das ist eine ganz hohe Qualität", sagt Mathias Hähnig, der mit seinem Büro Hähnig - Gemmeke Architekten BDA Partnerschaft aus Tübingen den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb für die künftige Entwicklung des Fliegerhorst gewonnen hat. "Das ist kein Militärgelände mehr", sagt er, "plötzlich ist das eine Parklandschaft." Die Bäume werden die Erdinger neugierig machen, und sie sind eine Steilvorlage für die Planer: Hähnig sagt, es gehe darum, Synergien für diejenigen zu schaffen, die jetzt schon in der Stadt wohnen. Sie sollen etwas davon haben, dass ihre Stadt demnächst um mehrere tausend Einwohner wachsen wird.

Schon bei der Ausstellungseröffnung in dieser Woche im Sportpark Schollbach, wo die Erdinger noch bis zum 13. August nicht nur den Sieger-Entwurf, sondern alle zehn Wettbewerbsbeiträge sehen können, sprach Hähnig davon, dass auf die Übergänge besondere Aufmerksamkeit zu legen sei. Die Übergänge zwischen den bestehenden Siedlungsgebieten und den künftigen, Übergänge aber auch innerhalb des Quartiers, um Gewerbe, Wohnen und Freizeit miteinander zu verweben, Übergänge auch zwischen Alt und Neu auf dem Fliegerhorstgelände. Denn vieles soll bleiben. Wer dort eines Tages wohnt, soll erfahren, dass das einmal ein Fliegerhorst war. Deswegen bleiben das Stabsgebäude, das Offiziersheim, die Kirche und die Shelter stehen, vielleicht auch ein paar Mannschaftsgebäude, wie Hähnig hofft, sofern eine Sanierung sinnvoll ist. Ihr Anblick ist den Erdingern vertraut, die von der Rotkreuzstraße auf das militärische Gelände spähen konnten.

Fliegerhorst: 190 Hektar sind schon mal überplant. Hier der Siegerentwurf von Hähnig Gemmeke Architekten aus Tübingen.

190 Hektar sind schon mal überplant. Hier der Siegerentwurf von Hähnig Gemmeke Architekten aus Tübingen.

(Foto: Zeichnung von Hähnig Gemmeke Architekten)

Im Westen grenzt das neue Quartier an Langengeisling an, hier entsteht ein wichtiger Übergang zwischen neuem und alten Stadtgebiet. Die Langengeislinger sollen gute Gründe haben, von dort einfach loszulaufen oder loszuradeln. Sie können den Grünzug in Richtung Osten erkunden, sie finden ein Sportgelände und eine Schule, viele Arbeitsplätze sollen entstehen. Im Süden schließt das neue Viertel an Williamsville an, auch dort wird es Grünzüge geben, die es den Menschen einfach machen, von dem einen Gebiet ins andere zu spazieren.

Die Entwicklung des neuen Stadtteils wird sich über Jahrzehnte hinziehen, gleichzeitig sollen die Menschen dort aber auch in Ruhe leben können. Zu diesem Zweck hat Hähnigs Büro die gesamte Fläche in Abschnitte aufgeteilt, die nacheinander entwickelt werden sollen. Jeder Abschnitt kann dabei aber für sich existieren. Hähnig sagt, in Tübingen, wo er herkommt, würde man die Stadt schon lange auf diese Weise weiterentwickeln. Es sind kleine Städte in der Stadt. Ab 800 oder 900 Einwohner lohnt sich auch ein Einzelhandel, etwas Gewerbe, ein Bäcker, vielleicht ein Café, solche Dinge sollen schon in der ersten Phase entstehen. Auch der bedeutsame Klimaboulevard mit mehreren Plätzen wird in West-Ost-Richtung in Abschnitten entwickelt. Der Boulevard durchzieht eine autofreie Zone mit viel Wohnbebauung, aber auch Gewerbe und Dienstleistern. Rund um diese Zone führt eine Straße. Die Autofahrer können dort mehrere Mobilitäts-Hubs ansteuern, an denen sie ihr Auto abstellen. Von dort geht's zu Fuß, mit dem Bus, mit dem Rad oder mit dem E-Bike weiter. Oder autonom.

Nördlich schließt diese Zone mit Schulen und Kitas ab, es folgt der Grünzug und auf dessen anderer Seite ein Sport- und Freizeitgelände, das wiederum an ein Innovations- und Technologiezentrums angrenzt. Lauter fließende Übergange: Die Kinder kommen zum Sportlen auf den Platz, auch die Mitarbeiter des Innovationscamps können in ihrer Mittagspause eine Runde joggen. Weiter Richtung Norden geht es in die Landschaft hinaus, dort haben Hähnig und Kollegen die neue Festwiese geplant. Ein fließender Übergang in die Landschaft.

Das Konzept hat die ungeteilte Zustimmung der Jury gefunden, jetzt muss es nur noch umgesetzt werden. Es soll nicht zwischen den Interessen großer Investoren zerrieben werden, weswegen Hähnig eine Konzeptvergabe empfiehlt: Die Stadt Erding möge sich idealerweise in den Besitz des gesamten Areals bringen und anschließend berechnen, zu welchem Preis sie die Flächen verkaufen muss, damit es für sie wirtschaftlich ist. Daraus folgt ein Festpreis. Vergeben wird nicht an denjenigen, der das meiste zahlt, sondern an denjenigen, der für diesen Festpreis das beste Konzept anbietet. Der nächste Schritt werde nun aber sein, sagt Hähnig, Planungsteams mit allen Beteiligten zu gründen und auch die Bürgerschaft von Anfang an einzubinden. Er würde sich über eine langfristige Zusammenarbeit sehr freuen, sagt er. "Wenn die Stadt Erding ruft, sind wir präsent."

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