Es gibt zu viele Wehre und Dämme in Bächen und Flüssen, die Fischwanderungen zu den jeweiligen Laichplätzen unterbrechen. Im Landkreis Erding will das Wasserwirtschaftsamt München nun den Fluss Isen auf 30 Kilometern Länge wieder durchgängig machen, um diese Laichwanderungen erneut zu ermöglichen. Das Vorhaben gilt als einzigartiges Pilotprojekt in Bayern.
Mit nahezu allen Eigentümern von Mühlen oder Triebwerken hat das Wasserwirtschaftsamt seit Ankündigung dieses Vorhabens gesprochen und ist nun sehr zuversichtlich, dass sich dieses Projekt umsetzen lässt. Stefan Homilius, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes: „Das Interesse ist groß, die Rückmeldungen sind positiv, wir haben nach den ersten Gesprächen auch schon zahlreiche Begehungen vor Ort unternommen.“
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Gewässerqualität zu verbessern und einen guten Zustand in Oberflächen- und Grundwasser zu erreichen. Ein wichtiger Bestandteil der WRRL ist die Förderung der Fischwanderung. Doch in der Realität hinkt man den Zielen weit hinterher.
Auch beim Wasserwirtschaftsamt München bedauerte man es bislang, dass die Umsetzung so schlecht vorankommt. Als jedoch ein Vorstoß von zwei Triebwerksbetreibern aus Dorfen kam, die ihre alten Mühlenrechte aufgeben wollen, sah das WWA eine Möglichkeit, an der Isen buchstäblich einen Durchbruch zu erzielen. Diese Triebwerksbetreiber waren der Rechte überdrüssig: eine alte Sägemühle, die mit der Wasserkraft betrieben wurde, war längst abgebrannt, ein weiteres Triebwerk lieferte kaum noch Strom, war aber sehr wartungsintensiv. Daher könnte man nun ein altes Wehr abreißen, das das Wasser für die Triebwerke umleitet, und an dessen Stelle die Isen wieder durchgängig machen.
Das WWA ging dann der Vermutung nach, ob eventuell auch andere Inhaber von Mühlenrechten sie gar nicht mehr nutzen wollen und aufgrund von damit einhergehenden Pflichten bereit wären, sie aufzugeben. Ins Visier nahm man dabei den Abschnitt der Isen zwischen dem Markt Isen und der Landkreisgrenze zu Mühldorf, 30 Flusskilometer.
Ein ambitioniertes Vorhaben: 30 Wehre müssen dafür wieder passierbar gemacht werden, 21 Sohlschwellen und 15 Wasserkraftanlagen, damit die Fischfauna wieder in einen guten Zustand versetzt wird. „FreiflIsen“ lautet der Projektname, Mitwirkende sind das Landesamt für Umwelt und sogar der World Wildlife Fund (WWF), der finanzielle Anreize in Aussicht stellt.
Elf von zwölf Eigentümern kamen zur Besprechung mit dem Wasserwirtschaftsamt
Im März dieses Jahres lud das WWA alle Eigentümer dieser Wasserkraftanlagen nach Lengdorf ein, um mit ihnen das Projekt zu besprechen. „Fast alle sind gekommen, elf von zwölf“, so Homilius. Die Resonanz sei sehr positiv gewesen, auch die ersten Begehungen vor Ort haben bereits stattgefunden.
Auch die beiden Umweltreferenten der Stadt Dorfen haben sich mit eigenen Vorschlägen zu Wort gemeldet. Sie plädieren ebenfalls dafür, das Wehr am alten Bad in Dorfen abzureißen, aber an dessen Stelle eine Fischtreppe zu errichten. Das Thema soll in einer der nächsten Stadtratssitzungen erörtert werden, beantragten sie. Homilius sagt, als er in der SZ davon gelesen habe, hätte er gerne mit den Umweltreferenten gesprochen: „Ideen zu entwickeln schadet nie.“ Er habe an die Stadt Dorfen geschrieben, dass sie dieses Projekt gerne übernehmen könnte, allerdings auch die Kosten. „Seither habe ich nichts mehr von ihnen gehört.“
Planung und Bau einer Fischtreppe kosten Minimum 100 000 Euro
Wie sieht die Kostenstruktur beim Abriss eines alten Wehrs und dem Umbau in eine Fischtreppe aus? Das hänge insbesondere von den Altlasten aus, sagt Homilius. Wenn man das Wehr in Betonbrocken zerlegen und diese in die Fischtreppe einbauen könne, „sind so ein paar Steinriegel nicht das Problem.“ Anders sehe es aus, wenn im Wehr alte Teeranstriche mit verbaut worden sind. Dann muss das Material auf die Deponie. Die finanzielle Untergrenze bei einer Fischtreppe veranschlagt er auf 100 000 Euro, 60 Prozent davon sind Planungskosten.
Zumindest gibt es eine Förderung vom World Wildlife Fund (WWF). Diese Naturschutzvereinigung will sich mit bis zu 25 000 Euro pro Querbauwerk an dem Projekt beteiligen. Allerdings haben die Triebwerksbetreiber nur bis August dieses Jahres Zeit, sich zu entscheiden, ob sie teilnehmen oder nicht. Die Mittel können dann bis August 2026 abgerufen werden.
Es hängt ohnehin nicht davon ab, ob sich auch wirklich alle Triebwerksbetreiber auf dieser Strecke daran beteiligen, damit das Projekt umgesetzt wird. „Wenn wir auf diesen 30 Flusskilometern 20 Kilometer durchgängig erreichen, bringt uns das schon weiter“, sagte Homilius. Weil dann für die Fische wieder hinreichend Habitate erschlossen werden, die sie im Laufe ihrer Entwicklung benötigen.