Süddeutsche Zeitung

Finsing:Zwischen Bierfässern und Schlauchbooten

Jahrelang hat das Wasserkraftwerk Neufinsing unorganisches Treibgut ausgestellt. Die Sammlung ist inzwischen geschlossen, Kuriositäten werden nach wie vor angeschwemmt

Von Korbinian Hartmann, Finsing

Wenn bei Hochwasser der Flusspegel steigt und die Strömung schneller wird, verfängt sich im Wasserkraftwerk Neufinsing besonders viel Treibgut. Zwischen 200 und 500 Tonnen werden dort jährlich aus der Mittleren Isar gefischt, so Theodoros Reumschüssel, Pressesprecher des Kraftwerkbetreibers Uniper. Besonders kuriose Gegenstände hatte das Wasserkraftwerk gesammelt und von 1999 an in einigen Räumen ausgestellt. Wegen Personalmangels musste die Sammlung nach 17 Jahren schließen.

Reumschüssel bedauert das. "Die Funde sind sehr unterschiedlich, jeder hat seine eigene Geschichte." Das Repertoire reichte von Einkaufswägen über Autoreifen bis hin zu Flaschenpost und Briefen. Andernorts gebe es noch vermeintlich seltsamere Funde. "Auf der Donau ist einmal eine ganze Wohnzimmereinrichtung getrieben." Sowohl Anzahl an Treibgut als auch spezielle Fundstücke variieren von Zeit zu Zeit. "Im Sommer und im Herbst werden häufig kaputte Schlauchboote aus den Flüssen gezogen." Und wenn die Landshuter Hochzeit stattfindet, gebe es in der Isar immer viele Bierfässer.

Für Wasserkraftwerke stellt das Schwemmgut aber ein Problem dar. Denn wenn es in den Rechen hängen bleibt, bremst es den Wasserstrom, mit dem das Werk Energie erzeugt. Daher wird ein Großteil der Materialien entfernt. Obwohl das alles maschinell und automatisch funktioniert, versagt bei manchen Funden die Technik. "Bei besonders großen Bäumen beispielsweise unterstützen Menschen die Maschinen händisch", so Reumschüssel. Das sei nicht nur umständlich, sondern zum Teil auch gefährlich. Doch organische Gegenstände wie Äste oder Blätter, die etwa 90 Prozent des gesamten Treibgutes ausmachen, seien für die Ökologie essenziell, so Manfred Drobny, Kreisgeschäftsführer des Bund Naturschutz. "Totholz oder Laub enthalten wertvolle Nahrung, zum Beispiel für Schnecken und Krebse." Außerdem formen Bäume die Ufer fortlaufend neu, sodass sich die Strömungen verändern und neue Lebensräume entstehen. "Daher sollte man einen Baum nicht aus einem natürlichen Gewässer entfernen."

Damit sich ein Baum aber fest im Flussbett verankern kann, braucht er seine Wurzeln und einen natürlichen Untergrund, in dem er einen Halt findet. In einem ausbetonierten Kanal wie der Mittleren Isar blieben deshalb sowieso kaum Bäume hängen. Und aus Kraftwerken, die in natürlichen Flüssen stehen, werde kleines organisches Treibgut in der Regel gar nicht entfernt, sagt Reumschüssel.

So wichtig das organische Treibgut für natürliche Gewässer ist, so unerwünscht ist unorganisches Material für die Natur. "Insekten können sich in Plastikflaschen verirren", so Drobny. Restsubstanzen aus Düngebehältnissen, Bauschaum oder Mikroplastik vergiften unter Umständen andere Tiere und Pflanzen. Eine potenzielle Gefahr stellen auch Waffen dar. Reumschüssel gibt aber Entwarnung. "Bomben oder Pistolen aus dem Zweiten Weltkrieg werden meist schon entdeckt, wenn ein Kanal ausgehoben oder ein Kraftwerk gebaut wird." Bisher habe es an der Mittleren Isar keine gefährliche Situation gegeben.

Hinsichtlich der gefundenen Alltagsgegenstände spricht er von einem Aufwärtstrend. "In unserer Wegwerfgesellschaft haben viele Menschen offenbar kein Bewusstsein für das, was sie anrichten, wenn sie ihren Müll in der Natur entsorgen." Ihm ist wichtig, dass weiterhin auf diese Problematik aufmerksam gemacht wird. Die Sammlung wird aber nicht wieder eröffnen. "Die Energiewirtschaft achtet zunehmend auf ihre Ausgaben, für eine Ausstellung über Schwemmgut bleibt da am wenigsten Geld übrig", sagt Reumschüssel. "Vielleicht gibt es irgendwann eine digitale Ausstellung im Internet, aber versprechen möchte ich nichts."

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Quelle:
SZ vom 17.02.2020
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