Süddeutsche Zeitung

Finanzen:Ein hartes Jahr für die Kreismusikschule

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Die Corona-Pandemie hat alle Pläne an der KMS durcheinandergebracht. Viele Unterrichtsstunden müssen abgesagt werden, Auftritte finden nicht statt und Orchester können sich nicht mehr regelmäßig treffen. Das hat finanzielle Auswirkungen, betrifft aber auch das soziale Leben

Von Konstantin Daum, Erding

Die Maßnahmen des Lockdowns light treffen auch die Kreismusikschule Erding hart. Die Schule muss nicht geschlossen werden, aber der Unterricht kann nur stark eingeschränkt stattfinden. Orchester und Ensembles müssen auf gemeinsame Proben verzichten, darunter leidet nicht nur die Entwicklung der jungen Musizierenden. Für Schulleiter Bernd Scheumaier ist es eine erneute Herausforderung - für alle Beteiligten.

Neben dem Einzelunterricht sind Kleingruppen erlaubt, wenn der Abstand eingehalten werden kann. Das spiegelt aber nicht das Musizieren mit der gesamten Gruppe wider. Betroffen sind hiervon die fast 30 Orchester, Chöre und Ensembles der Kreismusikschule. Das miteinander Spielen in der großen Gruppe sei für die Qualität der Musik und die Entwicklung von Tongehör und Klanggefühl sehr wichtig. Die nötige Abstimmung unter den einzelnen Instrumenten entstehe nur, wenn zusammen gespielt wird, so Scheumaier.

Für die Betriebsratsvorsitzende Ute Auf dem Hövel ist es auch die Dynamik innerhalb der Gruppe, die zu kurz kommt. "Über 50 Prozent des Unterrichts macht die soziale Interaktion aus" sagt sie. Der Effekt beschränke sich nicht nur auf die Entwicklung der Musiker, sondern auch auf den Zusammenhalt in der Gruppe. "Es leiden Freundschaften", denn das gemeinsame Musizieren sei für viele eine Art der Kontaktpflege.

Zusätzlich fielen dieses Jahr circa 300 Veranstaltungen aus, bei denen die Kinder und Jugendlichen ihr Können vorführen sollten. "Lust bewahren braucht Erfolg" sagt Auf dem Hövel. Erfolg seien die Eltern und Großeltern, die die Kinder nach Konzerten und Vorspielen loben. Für Scheumaier geht dadurch der Wettbewerb verloren. Die Jüngeren wollen das spielen, was die Älteren aufgeführt haben. "Das spornt sie an, weiter zu üben" erklärt er. Eigentlich würden sie sich gerade auf "Jugend musiziert" und Auftritte in der Weihnachtszeit vorbereiten. Aktuell bleibt ihnen wieder nur das Üben. Ohne Vorspiele habe sich im Laufe des Jahres ein Motivationsloch bei den Kindern gebildet. Diese Entwicklung spürte auch die Beiratsvorsitzende Anita Riedman. Sie sieht deshalb die Lehrer noch stärker in der Pflicht, die Schüler weiterhin zu motivieren.

Im Frühjahr stellten außerdem die ausgefallenen Stunden ein Problem dar. Onlinestunden ersetzten den Präsenzunterricht, waren aber damals noch nicht als Ersatz in der Satzung verankert. Der entstandene Unterrichtsausfall führte zu Rückerstattungen in Höhe von 200 000 Euro, so Scheumaier . Viele Eltern hätten jedoch auf die Rückerstattung verzichtet. Inzwischen wurde die Satzung dementsprechend angepasst und Onlinestunden als Unterrichtsform aufgenommen. Zusätzlich haben die Hausmeister die Trennwände für den Unterricht selbst gebaut, dadurch konnten die Kosten um 90 Prozent gesenkt werden. Insgesamt habe sich der finanzielle Aufwand so zum Glück in Grenzen gehalten.

Für die Lehrer war der erste Lockdown auch eine schwierige Zeit. Die Belegschaft befand sich in Kurzarbeit, die größere Sorge bereiteten jedoch die wegfallenden Stunden. Es breitete sich Unsicherheit aus, ob man die Schüler während des Stillstandes bei der Stange halten kann, erklärt Auf dem Hövel. Wenn Anmeldungen ausbleiben, reduzieren sich die Stunden, dann sähe sie Existenzen bedroht. Schulleiter Bernd Scheumaier betont die ungebrochene Nachfrage, es habe nur eine leichte Reduzierung der Anmeldungen gegeben.

Ganz pausieren muss die musikalische Früherziehung an den Kindertagesstätten und Kindergärten, da die Kreismusikschule als externer Anbieter gilt. Auch die Kooperation mit den Isar Sempt Werkstätten und der Veeh-Harfe-Kurs für Senioren finden auf absehbare Zeit nicht statt. Für Riedmann wiegt der Ausfall schwer. Die Vernetzung der Seniorengruppe aufrecht zu erhalten, sei eine besondere Herausforderung. Der 2015 ins Leben gerufene Kurs war sehr gut besucht und trat auch auf.

Für das in Kooperation mit der Kreismusikschule entstandene Jugendkammerorchester Violinissimo lief dieses Jahr vieles wie sonst. Die Streichinstrumentgruppen, die ohne Dirigenten spielen, haben schon ab März online geprobt. Sobald es möglich war, wurden die Proben nach draußen verlegt. Dazu war ein ganzer Parkplatz nötig, um den Abstand einzuhalten. Im Frühsommer traten sie mit ihrem Programm "Freude für Senioren" in Seniorenheimen auf. Anschließend ging es im Juli nach Frankreich, um eine Reihe von Benefizkonzerten zu spielen. Im Herbst eröffneten sie dann noch die 54. Internationale Orgelwoche in Erding. Die Pause kommt ihnen deshalb gerade recht. Über die nächsten zwei Monate studieren sie das Programm für das nächste Jahr ein. Geprobt wird in Kleingruppen, wie im Frühjahr. Pro Woche sollen sich trotzdem einmal alle sehen, dass sei wichtig für die Gruppe. Büsel ist zuversichtlich, dass die Proben in diesem Format gut laufen werden. "Es gibt einen riesigen Zusammenhalt, die jungen Leute haben Bock."

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SZ vom 13.11.2020
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