Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben, können körperlich und geistig geschädigt zur Welt kommen. Man geht bundesweit jährlich von mehreren 1000 Fällen aus. Fünf davon aus dem südostbayerischen Raum können künftig in Taufkirchen betreut werden, im ehemaligen Gasthof Wagnerwirt. Der Gemeinderat hat einem Antrag auf Nutzungsänderung der Brauereigenossenschaft Taufkirchen zugestimmt, der das Gebäude gehört. Wie viele Traditionsgaststätten steht sie seit Jahren leer. Nun gibt es ein Mietangebot einer Einrichtung, die Kindern im Alter von zwölf bis 18 Jahren helfen will, sich in der Welt zurechtzufinden.
Die Immobilie steht seit fünf Jahren leer
Der Wagnerwirt war ein Treffpunkt vor allem der konservativen Taufkirchener und im Gemeinderat bedauerten viele, dass sich nicht doch noch ein Wirt gefunden habe, um die traditionelle Nutzung fortzusetzen. Etwa fünf Jahre steht die Immobilie nach Auskunft von Braumeister Thomas Drechsel bereits leer.
Und nun will das Jugendhilfeprojekt Quo Vadis GmbH den Wagnerwirt mieten, weil auch der Zuschnitt des Gebäudes passt. Im ersten Stock die ehemaligen „Fremdenzimmer“ für Handwerker auf Montage, unten Küche, Wohn- und Esszimmer. Alles Notwendige ist vorhanden, allerdings gibt es keinen Garten und das Gebäude steht unmittelbar an einer lebhaft befahrenen Straße.
Den meisten Gemeinderäten war zu Beginn der Diskussion nicht klar, um welche Art von „Beeinträchtigung“ es sich bei den Kindern handelt, die künftig in Taufkirchen leben sollen. Das ging aus den Unterlagen nicht hervor. Bürgermeister Stefan Haberl (CSU) blätterte in den Akten und erläuterte, dass diese Kinder eines gemeinsam hätten: FASD, Fetale Alkoholspektrumstörung. Zu Deutsch: Die Mutter hat in der Schwangerschaft getrunken. Es gibt auch Vermutungen zu betrunkenen Vätern bei der Zeugung, aber da ist die Wissenschaft bislang noch nicht so weit, diese These zu verifizieren.
Kinder, die von FASD betroffen sind, zeigen körperliche Auffälligkeiten wie Wachstumsstörungen, ein geringes Körpergewicht und einen geringen Kopfumfang. Ihr Verhalten wirkt häufig unreif in Bezug auf ihre soziale und emotionale Entwicklung, sie sind oft emotional labil. Die Kinder zeigen sich häufig naiv und leicht verleitbar. Es fällt ihnen schwer, ihre Impulse kontinuierlich zu kontrollieren oder aus Konsequenzen zu lernen. Ihre Interaktionen im Sozialverhalten wirken häufig unangemessen.
Die einzige Gegenstimme kommt von der AfD
Angesichts solcher Schicksale war der Bauausschuss geneigt, dem Antrag auf Nutzungsänderung zuzustimmen, der eine Wohngruppe mit fünf Kindern sowie eine ständige Betreuung durch pädagogische Fachkräfte ermöglicht. Thomas Unterreitmaier sagte allerdings, es sei „ewig schade, dass nicht wieder eine Wirtschaft daraus wird“. Lediglich Peter Attenhauser von der AfD konnte keine rechte Empathie entwickeln. Es handele sich um eine „integrative Wohngruppe“, sagte er und argwöhnte: „Das könnten auch Flüchtlingskinder sein“. Taufkirchen habe für Flüchtlinge bereits genug getan. Zudem entferne man sich mit der Nutzungsänderung von der letzten Chance, wieder ein bürgerliches Wirtshaus im Ort zu haben. So eine Wohngruppe gehöre in den Außenbereich, nicht ins Zentrum.
Dritter Bürgermeister Manfred Slawny (SPD) entgegnete, das habe mit einer Flüchtlingsunterbringung nichts zu tun. „Diese Jugendlichen werden betreut, beaufsichtigt, das wird keinem auffallen.“ Darüber hinaus sei der Außenbereich ungeeignet: „Die müssen zur Schule gehen und sie haben keine Eltern, die sie jeden Tag zur Schule fahren könnten.“ Auch Bürgermeister Haberl betonte, „das hat mit Asylpolitik nullkommanix zu tun“.
Mit nur einer Gegenstimme befürwortete der Bauausschuss die Nutzungsänderung, die Gegenstimme kam von Peter Attenhauser.