Fasching in Erding:Narrische Dynastien

Lesezeit: 4 min

Seit 1930 stellen einige Familien immer wieder Faschingsprinzen und -prinzessinen. Deren Aufgaben haben sich über die Jahrzehnte aber verändert: Früher sollte man "Glanz und Glamour" ausstrahlen - und durfte keinesfalls vergeben sein.

Von Sophia Neukirchner

Erdinger Adelige gibt es nicht nur im Schloss Aufhausen. In diesen Tagen regiert die Stadt wieder ein ganz bestimmtes adeliges Paar: der Prinz und die Prinzessin der Narhalla. Noch bis Ende Februar beherrschen die Friseurmeisterin Carolina Berglehner und der Karosseriebauer und Jäger Ferdinand Zehner - "Carolina I. von Tönung und Krönung" und "Ferdinand II. von Jagd und Trieb" - etliche Faschingsveranstaltungen in der Großen Kreisstadt. Der Oberbürgermeister hat ihnen sogar die Stadtschlüssel übergeben.

Die Krönung des Faschingspaares hat eine lange Tradition. In Erding gibt es - mit Unterbrechungen - seit 1930 Faschingsprinzen und -prinzessinen, und viele von ihnen stammen aus denselben Familien: Gruber zum Beispiel oder Pointner, Schmid, Kraus und Neumaier, diese Namen tauchen immer wieder in der Ahnenchronik der Erdinger Faschingsregenten auf. Auf die am längsten zurückreichende Familiendynastie innerhalb der närrischen Adligen kann allerdings Rita Lechner zurückblicken. Sie selbst war im Jahr 1963 Faschingsprinzessin. Ihre Mutter, Annie Empl, war 1930 die erste Erdinger Prinzessin überhaupt.

Ohne die Erlaubnis derEltern durfte die Tochternicht Prinzessin werden

Einfluss darauf, ob sie selbst einmal Regentin der fünften Jahreszeit sein wollte, habe das aber nicht gehabt, sagt die 77-Jährige heute. Im Gegenteil: Zwei Faschingsprinzen schlug sie sogar erst einmal aus. 33 Jahre nach ihrer Mutter wurde sie dann aber doch Prinzessin, als der damals 28-jährige Egon Lechner um sie warb. Dass der Prinz sich die Prinzessin suchte, das war bis zur Faschingssaison 2017 noch die Regel. Beim aktuellen Prinzenpaar wurde zuerst Carolina gefragt, die sich ihren Ferdinand suchte. Seine Tante, Erika Auer, war 1994 Faschingsprinzessin. "Es ist schon nett, jemanden in der Familie zu haben, der das Ganze schon durchlebt hat und Tipps geben kann", sagt Ferdinand Zehner. Seine Tante sagt: "Es hat sich im Vergleich zu meiner Zeit nicht so viel verändert. Nur haben die Frauen heute mehr mitzureden."

Vor einigen Jahrzehnten war die Suche nach Prinz und Prinzessin eine so ernsthafte Angelegenheit, damals hatten auch die Eltern ein Wörtchen mitzureden. 1963 sprach Egon Lechner - gerade zurück vom Studium in München - bei Rita Lechners Mutter vor: "Ich hatte ihr schreckliche Blumen mitgebracht. Ich war in der Annahme gekommen, dass sie sowieso Nein sagen würde. Aber im Laufe des Gespräches merkte ich, wie die Front leicht wackelte, und irgendwann sagte ihre Mutter: 'Ich bin dann auch einverstanden'." Eine gute Entscheidung, nicht nur für den Fasching: Noch im selben Jahr heirateten die beiden und sind bis heute Mann und Frau. Verlobt hatten sie sich schon vor der Faschingszeit 1963. "Das durfte aber keiner wissen", sagt Egon Lechner. Damals war es noch wichtig, dass Prinz und Prinzessin ledig waren. Das machte ja den Reiz des Ganzen aus."

Egon Lechner sagt, man stand als Prinzenpaar schon immer in einer "gewissen Tradition". Zu seiner Zeit habe der Faschingsverein das gesellschaftliche Leben wesentlich mitbestimmt. Das Prinzenpaar stand noch mehr als heute im Mittelpunkt. Das Publikum habe man für sich gewinnen sollen, die Stimmung sollte man anheizen. In den 60er-Jahren sei das Wichtigste gewesen, dass das Prinzenpaar "Glanz und Glamour" ausstrahlte. Man habe viel Wert auf die Garderobe gelegt: Rita Lechner hat ihr Kleid in Augsburg bei einer Kostümbildnerin gekauft.

Viele Aufgaben von Prinz und Prinzessin sind bis heute gleich geblieben, etwa der Prinzenwalzer: "Ich war ein grausiger Tänzer", erinnert sich Lechner. Seine Prinzessin hat es in die Hand genommen, sie haben improvisiert und zu jeder Veranstaltung etwas Anderes getanzt. "Da habe ich meine Frau besonders schätzen gelernt", sagt der 82-Jährige. "Nur wollte jeder mit ihr tanzen, ich habe auf sie aufgepasst wie ein Drache." Ein Senator habe ihn aber erinnert: "Die Prinzessin gehört allen!"

"Es war damals schon eine Ehre, Prinz und Prinzessin zu sein", sagt Egon Lechner. "Tatsächlich war es zu unserer Zeit sogar eine Voraussetzung, dass die Familie einigermaßen bekannt war in der Stadt." Heute gibt es da ganz andere Kriterien: "Wir sind gut befreundet und die Größe passt auch", sagte Carolina Berglehner auf die Frage, warum Ferdinand ihr Prinz wurde. Ein Blick in die Ahnenchronik zeigt aber, wie ein paar Familien immer wieder das Faschingstreiben in Erding bestimmen. 1951 zum Beispiel war Max Neumaier Prinz, sein gleichnamiger Sohn, Inhaber der Bäckerei in der Landshuter Straße, stellte 1999 zusammen mit seiner Frau Renate das Faschingsprinzenpaar. Hermann Kraus vom Modehaus Kraus am Schrannenplatz durfte 1968 regieren, sein Vater bereits 1934. Karl "Gschmeimacher" Schmid, der 1997 das Zepter trug und heute noch aktiv im Präsidium ist, ist der Sohn und Neffe von zwei Faschingsprinzen. Cornelia Pointner, Lehrerin an der Carl-Orff-Grundschule, hatte 2001 die Krone auf und weiß natürlich, dass ihre Großtante Annie Empl 1930 die erste Faschingsprinzessin war.

Heute allerdings sei es höchstens noch für den Vorstand der Narhalla hilfreich zu wissen, wenn in der Familie eines potenziellen Kandidaten schon mal jemand närrischer Regent war - um einen letzten Überzeugungsgrund zu haben, sagt Ehrenpräsident Hanno Stanzel-Deffner. Er hat Vorfahren in der Gruber-Dynastie und damit, wie er sagt, "die meisten närrischen Verwandten in der Erdinger Narrhalla". Der Geschäftsführer des Modehauses, Hugo Gruber, weiß seinen Nachnamen in der Chronik der Erdinger Narrhallensen gut einzuordnen: "Bei der Poldi Gruber von 1934 handelt es sich um meine Mutter, Betty Ewald 1938 war die Schwester meines Vaters und Aloisia Erl 1962 ist meine älteste Schwester."

Und sogar die diesjährige Kinderprinzessin, Carolina Brandhuber, ist Tochter eines ehemaligen Prinzen, Andreas Brandhuber. Die Tradition der Kinderprinzenpaare hatte übrigens auch Egon Lechner 1963 eingeführt und die Paare gleich - wie könnte es anders sein - mit jungen Verwandten besetzt.

An diesem Sonntag führt die Narrhalla bei der Narrenschranne am Schrannenplatz ihr komplettes Programm vor - unter freiem Himmel und bei freiem Eintritt. Beginn ist um 13.30 Uhr.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: