Falsche Anklage:Kein Terrorist, nur ein Lügner

Selbstbezichtigung eines Flüchtling als Boko Haram-Mitglied erweist sich als falsch

Es war eine Nachricht, die weltweit Beachtung fand: Am 24. Januar war in Dorfen ein mutmaßliches Mitglied der fundamental-islamistischen Terrorgruppe Boko Haram verhaftet worden. Die Nachricht von der Entlassung des Verdächtigen drei Monate später ging hingegen ziemlich unter. Der Bundesgerichtshof hat schon Ende April seinen eigenen Haftbefehl gegen den in der Flüchtlingsunterkunft Lindum festgenommenen Nigerianer Amaechi Fred O. aufgehoben, weil die Ermittler ihm nicht mehr glaubten: "Es bestehen Zweifel, ob die selbstbezichtigenden Angaben, auf denen die Verdachtsmomente gegen den Beschuldigten maßgeblich beruhten, tatsächlich der Wahrheit entsprechen." Der 27-Jährige scheint kein Terrorist zu sein, sondern ein Lügner.

Der Mann hatte seine Verhaftung selbst provoziert. Er hatte - offenbar bei einer Anhörung in seinem Asylverfahren - angeben, er habe sich im Jahr 2013 der Terrorgruppe Boko Haram angeschlossen. Laut der Bundesanwaltschaft gab er dabei folgendes an: Er sei ein Jahr lang Mitglied der Terrormiliz gewesen. Er habe als Kämpfer an vier Angriffen gegen die nigerianische Zivilbevölkerung teilgenommen. Bei zwei Angriffen auf Schulen sowie auf ein Dorf habe er mehrere Menschen getötet. Er habe zudem bei einem weiteren Angriff mitgewirkt, bei dem Mädchen als Geisel genommen und eine Kirche niedergebrannt wurde. Seine Angaben wurden den Ermittlungsbehörden gemeldet, bis zur Bundesanwaltschaft. Die Untersuchungshaft wurde mit dem dringenden Verdacht der "Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung" und der "Begehung von Kriegsverbrechen" begründet.

Dass jemand sich fälschlich selbst bezichtigt, ein Terrorist gewesen zu sein und entsprechende Verbrechen begangen zu haben, erscheint absurd. Doch die Hoffnung einer solchen Selbstanzeige besteht darin, dass man trotz und wegen seiner angeblichen Verbrechen nicht aus Deutschland abgeschoben werden kann, da man in der Heimat mit der Todesstrafe oder mit Folter bedroht wäre.

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