Fall vor dem Amtsgericht Erding:Therapie statt Gefängnis

Von Körperverletzung bis Diebstahl: Ein 28-Jähriger hat schon zehn Einträge im Bundeszentralregister gesammelt. Dass er wegen Drogenhandels nicht wieder gleich einrücken muss, verdankt er dem Wohlwollen des Schöffengerichts

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Dem Wohlwollen des Schöffengerichts und seinem Verteidiger hat es ein 28-jähriger Angeklagter zu verdanken, dass er nach Verbüßung einer ausstehenden dreimonatigen Freiheitsstrafe wegen wiederholten Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht gleich wieder ins Gefängnis muss, sondern eine Therapie gegen seine Drogensucht antreten darf. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen seines mehrfachen gewerbsmäßigen Handels mit Marihuana zwei Jahre und sechs Monate Haft gefordert, sein Verteidiger nur zwei Jahre und vier Monate. Die vier Monate saß der Angeklagte in Untersuchungshaft, womit eine Reststrafe von zwei Jahren übrig bleibt. Das Maximalstrafmaß, bei der ersatzweise eine Therapie möglich ist.

In U-Haft saß der 28-Jährige seit Anfang Dezember. Einen Tag zuvor hatten Beamte bei der Durchsuchung seines Zimmers bei einem Freund 620,5 Gramm Marihuana, Händlerutensilien wie eine Feinwaage und Plastiktütchen und 2695 Euro Bargeld gefunden, die offenbar aus seinen Drogengeschäften stammten. Auf seine Spur war die Kriminalpolizei Erding durch die Überwachung der Telefonate seines Abnehmers gekommen. Laut dem Observierungsteam hatte er Kontakt zu 15 Personen, es sei aber nie konkret über Drogen gegangen, stattdessen seien "Essensbestellungen" beim Angeklagten eingegangen, wie Richter Björn Schindler sagte. Dass er bei einem Freund lebte, brachte diesem eine Anzeige wegen Beihilfe zum unerlaubten Handel nach dem Betäubungsmittelgesetz ein.

Der 28-Jährige hatte bereits am Tag seiner Verhaftung alles gestanden, was ihm positiv angerechnet wurde. Auch vor Gericht räumte er die Vorwürfe ein. Begonnen habe alles im Juni 2016, als er anfing, alle 14 Tage bei einem Händler in München Marihuana einzukaufen. Zunächst 100 Gramm, später bis zu zweimal 500 Gramm. "So genau kann ich mich an die Mengen nicht mehr erinnern. Es wurde kontinuierlich mehr", sagte der 28-Jährige. Letztlich kamen Angeklagter, Staatsanwaltschaft und Richter Schindler überein, dass es zwölf Fälle waren: je viermal 100 und 150 Gramm, je einmal 200 und 250 sowie zweimal 500 Gramm. Einkaufspreis je Gramm: 7,50 bis 7,75 Euro. Verkauft wurde das Marihuana für neun bis zehn Euro. Die Qualität des Marihuana beziffert ein Gutachten auf "durchschnittlich", mit einem THC-Gehalt von acht bis elf Prozent. Für den Eigenkonsum zweigte der 28-Jährige nach eigenen Angaben rund fünf Gramm am Tag ab. Ein Haargutachten in der U-Haft bestätigte, dass der Angeklagte regelmäßig Drogen nimmt. Die Cannabiswerte seien überdurchschnittlich hoch, außerdem konnte die Einnahme von Kokain, Amphetaminen, Ketamin und Designerdrogen festgestellt werden.

Ein Gutachter kam aber zum Schluss, dass der 28-Jährige, der die Mittelschule mit der neunten Klasse und mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss verlassen hatte, keine richtige körperliche Abhängigkeit von Drogen entwickelt habe, jedoch ein psychische. Bei der Untersuchung habe er angegeben, dass er zwar früh mit Drogen in Kontakt gekommen sei - mit 15 Jahren. Er habe aber nur auf Partys konsumiert. Regelmäßiger wurde der Konsum, als es Beziehungsproblem mit seiner Freundin gegeben habe, mit der er einen heute dreijährigen Sohn habe. Er habe Marihuana geraucht, um den "psychischen Schmerz" der Trennung zu bewältigen. Das Gutachten stufte ihn deshalb als "Gewohnheitskonsument" ein. Eine Schuldunfähigkeit sei aber nicht festzustellen.

Gegen den Angeklagten sprach - außer der großen Menge -, dass er bereits seit seinem 16. Lebensjahr Einträge ins Bundeszentralregister sammelt, insgesamt zehn. Darunter Beleidigung, vorsätzliche Körperverletzung, Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Besitz von Betäubungsmitteln und bereits mit 17 Jahren Handel mit Drogen. Die Gesamtstrafe für die einzelnen Taten summierte die Staatsanwaltschaft auf zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe sowie auf 13 000 Euro Wertersatzverfall. Damit soll ein möglicher Gewinn aus einer Straftat kompensiert werden. Das Schöffengericht schloss sich den Ausführungen des Verteidigers an, damit der 28-Jährige die Therapie antreten kann. Da er einen Teil des Marihuanas selber konsumierte, setze das Gericht den Wertverfall auf nur 4000 Euro an. "13 000 Euro wäre ein erheblicher Rucksack, den man Ihnen auflasten würde. Sonst kommen sie wieder auf dumme Gedanken", sagte Richter Schindler

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