Fahndern Gras angeboten:Letzte Chance für 20-Jährigen

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Angeklagter begeht bereits mit 14 seine erste Straftat. Zusage einer stationäre Drogentherapie rettet ihn vor längerer Haft

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Liste der Straftaten, wegen der der Angeklagte bereits verurteilt worden war und schon zweimal ins Gefängnis musste, war sehr lang. Richter Michael Lefkaditis brauchte mehr als zehn Minuten, um die Gründe für die früheren Haftstrafen vorzulesen. Zudem ist der Angeklagte für ihn kein Unbekannter: "Sie haben mich seit Beginn meiner Zeit am Amtsgericht Erding 2011 treu begleitet." Und es habe sich beim Angeklagten trotz aller Ermahnungen und Ratschläge, sein Leben zu ändern, bis heute nichts geändert. Aber das neue Jahr bringe bekanntlich neue Vorsätze. "Bleibt zu hoffen, dass Ihre Vorsätze diesmal halten."

Der Angeklagte ist indes kein abgebrühter Krimineller, keiner, bei dem man vielleicht sicherheitshalber nachts die Straßenseite wechselt. Er ist eher eine schmächtiger 20-Jähriger, der mit 14 Jahren zum ersten Mal strafrechtlich aufgefallen ist. Gutachter und Jugendstrafhilfe bescheinigen ihm eine "schwache, unreife Persönlichkeit", eine Reiferverzögerung.

Zuletzt wurde er zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Doch währen er auf Bewährung draußen war, wurde er wieder bei Straftaten erwischt. Im Sommer 2016 verkaufter für einen Dritten 38 Gramm Marihuana. Leider aus seiner Sicht an den Falschen, nämlich an einen Polizeibeamten. Kurze Zeit später wollte er auf eigene Kasse Amphetamine verkaufen - wieder war ein Polizist der Abnehmer. Bei der Wohnungsdurchsuchung fand man zudem geringe Mengen Marihuana und Amphetamine sowie eine Cannabispflanze. In dem Fall ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass alles für den Eigenverbrauch bestimmt war. Letztlich führt dies zur Anklage wegen eines Verbrechens nach dem Betäubungsmittelgesetz: Handeltreiben, Verkauf, Besitz und Herstellung. Und der 20-Jährige musste wieder in Haft, von wo aus er auch zum Gericht gebracht wurde.

Da der Angeklagte alle Vorwürfe einräumte und sich im Vorfeld erstmals dazu bereit erklärt hatte, eine stationäre Therapie gegen seine Drogensucht zu machen, war zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger ein Deal verabredet worden. Für das letzte Urteil und das nun anstehende sollte eine Gesamtstrafe verhängt werden - eine Voraussetzung dafür, dass der 20-Jährige eine Therapiestelle erhält. Die Aussagen von sechs geladenen Zeugen hatten sich damit erledigt. Der Angeklagte hatte zum Gerichtstermin auch gleich eine vorläufige Zusage einer Einrichtung mitgebracht - abhängig davon, ob es zu einem abschließenden Urteil kommt. Ausgehandelt hatte man ein Strafmaß zwischen drei und dreieinhalb Jahren. Der Staatsanwalt forderte am Schluss, an die Obergrenze zu gehen - wohl auch, weil sich der Angeklagte weigerte, den Namen des Mannes zu nennen, für den er die Drogen verkauft hatte. Der Verteidiger plädierte für drei Jahre. Das Schöffengericht unter Richter Michael Lefkaditis entschied sich für den Mittelweg: drei Jahre und drei Monate.

Zwar sprachen das Geständnis und der Wille, eine stationäre Therapie zu absolvieren, für den 20-Jährigen, nicht aber seine Liste bisheriger Straftaten, die hohe Rückfallgeschwindigkeit trotz Bewährungen und dass er sehr oft Sozialstunden und Therapiesitzungen geschwänzt hatte. Auf seiner Straftatenliste stand unter anderem: Diebstahl unter anderem von sechs Schalen Erdbeeren und jeder Menge Alkohol, Geld, eine Figur, Parfüm und ein Fahrrad, versuchter Betrug, versuchte schwere räuberische Erpressung, Raubüberfall, Einbruch, Urkundenfälschung - für einen Mofakauf machte er die Unterschrift seiner Mutter nach -, Fahren ohne Führerschein und Versicherungsnachweis und Beamtenbeleidigung. Richter Lefkaditis ermahnte den 20-Jährigen, diesmal die Chance einer Therapie zu ergreifen, um wirklich sein Leben auf die Reihe zu bringen.

© SZ vom 25.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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