Evangelische Kirchengemeinde:Beten in der Dorfwirtschaft

Evangelische Kirchengemeinde: Früher fanden die Gottesdienste im Wirtshaus oder in der alten Schule statt. Seit 1961 hat die evangelische Gemeinde in Neufahrn eine eigene Kirche.

Früher fanden die Gottesdienste im Wirtshaus oder in der alten Schule statt. Seit 1961 hat die evangelische Gemeinde in Neufahrn eine eigene Kirche.

(Foto: Marco Einfeldt)

Um das Jahr 1820 ließen sich die ersten evangelischen Christen in Neufahrn nieder, die es dort in Ermangelung einer Kirche zunächst nicht leicht hatten. Aber das änderte sich, inzwischen steht die Ökumene im Ort auf soliden Füßen

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Vermutlich ist es wirklich nur ein Gerücht: Als die evangelischen Christen für ihre Gottesdienste teilweise noch den katholischen Franziskussaal mitbenutzten, soll es einen katholischen Pfarrer gegeben haben, der vor seinen eigenen Messen dann erst einmal mit dem Weihwasserpinsel durch den Saal gegangen ist. Belegen lässt sich das freilich nicht. Verbürgte Tatsache ist dagegen, dass es die Protestanten früher in Ermangelung einer eigenen Kirche in Neufahrn tatsächlich nicht ganz leicht hatten.

Bevor es den Franziskussaal gab, mussten sie ihre Gottesdienste etwa im Kinosaal der Dorfwirtschaft oder in der alten Schule an der Dietersheimer Straße feiern. 1958 klagten sie dann auch in einem Schreiben an den Landeskirchenrat, dass sich die Gottesdienstdienstbesucher "auf Schulbänke ältester Machart hineinzwängen müssen". Wenn nicht sofort etwas geschehe, so die Befürchtung, könnten sich viele "enttäuscht von der evangelischen Kirche, wenigstens innerlich, soweit es noch nicht geschehen ist, abwenden". Mit Neid blickte man auf die katholische Gemeinde, die sich einen Neubau leisten konnte, währen der evangelische Landeskirchenrat immer noch kein Geld für eine eigene evangelische Kirche locker machen wollte.

Solche Geschichten können der evangelische Pfarrer Reinhold Henninger und der katholische Heimatvereinsvorsitzende Ernest Lang heutzutage leicht mit einem Schmunzeln erzählen. Längst gibt es für beide Konfessionen eigene neue Kirchen, die durch den Marktplatz miteinander verbunden sind. Die ökumenische Zusammenarbeit steht auf soliden Füßen. Das wurde bei einem Zeitzeugengespräch über "Protestanten in Neufahrn" des Heimatvereins deutlich, der damit Pfarrer Henninger und seine ebenfalls als Pfarrerin tätige Frau Irene verabschiedete. Die offizielle Abschiedsfeier der Kirchengemeinde folgt am Reformationstag, 31. Oktober.

Die ersten evangelischen Christen im Ort waren zwei Bauernfamilien. Sie hatten sich zwischen 1820 und 1830 nach der Flucht aus der Pfalz im damals rein katholischen Neufahrn angesiedelt. Auch wenn es in der Folgezeit ein paar mehr evangelische Christen wurden, mussten sie zum Gottesdienst zu Fuß nach Freising gehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren aber bereits 700 der damals 3000 Einwohner evangelisch, 1958 wurde eine selbständige "Tochter-Kirchengemeinde" Freising-Neufahrn gebildet, und von 1961 an hatte sie auch eine eigene Kirche am Fürholzer Weg. Der prominente Architekt Olaf Gulbransson hatte das Gebäude mit der markanten roten Backsteinfassade und dem auffälligen zeltförmigen Dach entworfen.

Dass die Ökumene in Neufahrn so eine lange Tradition hat, dürfte nicht zuletzt am "gemeinsamen Feind" Flughafen liegen, wie Ernest Lang es ausdrückte. Ralf Guggenmos, evangelischer Pfarrer in Neufahrn von 1972 bis 1989, wurde Sprecher der Bürgerinitiative und zog an einem Strang etwa mit seinem katholischen Kollegen Otto Mittermeier.

Heute gehören die evangelische Kirchengemeinde und die katholische Pfarrei gemeinsam zu den Trägern der örtlichen Sozialstation. Und das ökumenische Kinderbibelwochenende ist "eine der größten ökumenischen Veranstaltungen in Neufahrn", wie Pfarrer Henninger berichtet. Besonders stolz ist er auch auf den von ihm geleiteten Flüchtlingsunterstützerkreis, der beispielsweise zahlreiche Asylbewerber für Integrationskurse und Ausbildungen fit gemacht hat. Das sei ein echtes Erfolgserlebnis, freut sich Henninger.

Im Ruhestand wird er mit seiner Frau nach Ebersberg umziehen. Der Abschiedsschmerz sei schon jetzt "gewaltig", räumte Irene Henninger ein. Schließlich sei Neufahrn "einfach toll", und die 23 Jahre in Neufahrn seien die längste Zeit, die sie und ihr Mann je an einem Ort verbracht hätten.

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