Es gibt nur wenige Quellen:Auf den Spuren der Peterskirche von Altenerding

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Archäologen sind so gut wie sicher: Das ehemalige Kirchlein gehört zum frühmittelalterlichen Königshof am Gaugrafenweg. Knochenfunde werden gerade ausgewertet. Das Gebäude wurde zuletzt als Wohnhaus genutzt und vor 50 Jahren abgerissen

Von Regina Bluhme, Erding

Das Mehrfamilienhaus an der Petersbergstraße 11 ist ein unscheinbarer Bau. Nichts erinnert daran, dass auf dem Areal St. Peter stand, die älteste Kirche im Landkreis. Archäologe Marc Miltz, der ein paar Meter weiter am Gaugrafenweg gerade über den frühmittelalterlichen Königshof forscht, ist so gut wie sicher: Das Peterskircherl steht mit dem Herrschaftskomplex in Zusammenhang. Das Gebäude hat Kriege, Unwetter und die Umnutzung in ein Wohnhaus überstanden, bis 1967 endgültig Schluss war: Vor 50 Jahren erfolgte der Abriss, unter Protest des Landesamts für Denkmalpflege.

Marc Miltz schreibt seine Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität im Rahmen des Projekts "Erding im ersten Jahrtausend", das auch von der Stadt Erding unterstützt wird. Sein Forschungsthema: Der Königshof und die Peterskirche von Altenerding. Vor kurzem hat das Forschungsteam die Spuren des frühmittelalterlichen Königshofs präsentiert, an dem Karl der Große einen Gerichtstag abgehalten hat. Miltz sieht zwischen dem Peterskircherl und dem Königshof einen starken Zusammenhang, "so nahe wie diese beinander liegen, muss das so sein." Auch der Erdinger Museumsleiter Harald Krause ist überzeugt: "Hier war das politische und kirchliche Zentrum."

Marc Miltz geht davon aus, dass das Kirchenhaus insgesamt dreimal aufgebaut worden ist. Mittlerweile gelte es als ziemlich sicher, dass zunächst ein Holzbau errichtet wurde. Dieser sei später durch einen größeren Steinbau ersetzt worden und schließlich im 13. Jahrhundert durch ein romanisches Steingebäude, das dann im Zuge der Barockisierung ein Türmchen erhalten habe. Zu sehen ist letzteres auf einem Gemälde am Hochaltar von Heilig Blut in Erding: Auf einem Hügel steht hinter der Pfarrkirche Mariä Verkündigung die kleine, weißgetünchte Peterskirche.

Das ehemalige Peterskircherl von Altenerding in den Sechziger Jahren. 1808 war das Gotteshaus an den Privatmann Georg Anderl verkauft und in ein Wohnhaus umgebaut worden. Trotz der Umgestaltung ist der ehemalige, schmale und hohe Kirchenkörper zu erkennen. Vor 50 Jahren erfolgte der Abriss. (Foto: Museum Erding)

"Bei der Kirche St. Peter dürfte es sich um das älteste Gebäude im Landkreis Erding handeln", sagt Marc Miltz. Belege für das exakte Alter erhofft er sich in etwa zwei Wochen, wenn die Auswertung der Radiocarbonuntersuchung von Knochenfunden am Petersberg vorliegt.

Aufgrund weiterer Funde "wissen wir seit letztem Monat auch, dass der Friedhof den ganzen Petersberg umringt hat", informiert Miltz. Er schließe nicht aus, dass sich auf dem Berg auch Spuren von weiteren Gebäuden finden.

Wie das Gotteshaus von innen ausgesehen hat, darüber gibt es nur ganz wenig Quellen. In der Chronik " Altenerding 1200 Jahre", die die Stadt 1988 herausgegeben hat, wird aus Matrikelunterlagen aus den Jahren zwischen 1738 und 1740 zitiert: "Diese Kirche ist eng und klein, auf einem Hügel außerhalb des Ortes gelegen." Weiter heißt es: "Sie hat drei Altäre, einen Hochaltar zu Ehren des Apostels Petrus und Altäre zu Ehren des hl. Stanislaus und des hl. Aloysius."

1808 wurde die kleine Kirche im Zuge der Säkularisation an einen Privatmann verkauft. Der neue Besitzer hieß Georg Anderl. Er baute die Kirche zu einem Wohnhaus um. Es gibt Bilder von dem Haus aus den Sechziger Jahren, auf denen immer noch der ehemalige enge hohe Kirchenbau zu erkennen ist. Bis heute ist das Haus in Familienbesitz.

"Mit etwas Wehmut müssen wir nun Abschied nehmen" berichtet der Erdinger Anzeiger in der Wochenendausgabe vom 25./27. März 1967 über den Abbruch. "Die neue Zeit und die stürmische Entwicklung der Siedlung hat auch dem Peterskircherl ein Ende gesetzt", heißt es zum Schluss.

1808 wurde die Kirche an einen Privatmann verkauft und als Wohnhaus genutzt. Nach dem Abbruch wurde auf dem Areal dieses Haus neu gebaut (Foto: Stephan Görlich)

Von Wehmut oder Widerspruch von Seiten der damaligen Altenerdinger Gemeinderäte sei in keiner Quelle etwas zu finden, berichtet Stadtarchivar Markus Hiermer. Er bedauere es sehr, dass vor 50 Jahren die älteste Kirche Erdings abgebrochen worden ist.

Hiermer hat in seinen Unterlagen ein Schreiben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom März 1966. Es ist an das Landratsamt Erding gerichtet und trägt die Unterschrift des damaligen Landeskonservators namens "Dr. A. Horn", dessen Zornesfalten dem Leser recht deutlich vor Augen stehen. "Befremdet" sei sein Amt über die Abrisspläne und zwar "aufs äusserste", so schreibt er. Dabei handle es sich um eine "zwar profanierte, aber uralte Kirche, die noch deutlich ihren mittelalterlichen Charakter zeigt und klare romanische Spuren aufweist", heißt es in den Schreiben aus dem Jahr 1966. Die Hügellage weise zudem "auf einen Burgstall" hin.

Noch dazu sei der Bauherr zum Erhalt bereit gewesen, betont das Landesamt. Er habe den Bau sogar der Gemeinde zum Kauf angeboten, "zum Ausbau als Kriegergedenkstätte". Hin und her gingen dann die Akten zwischen Landesamt und Landratsamt, berichtet Marc Miltz. Er zitiert aus einem Schreiben des Landratsamts, warum der Abriss nicht aufzuhalten war: Weil die Kirche "Privatbesitz und der Allgemeinheit somit nicht zugänglich ist, der nicht einschlägig vorgebildete Durchschnittsbetrachter das Gebäude nicht mehr als Kircherl erkennt, das Gebäude schon über 100 Jahre als Wohnhaus dient und sich auch niemand um die Rückführung in ein öffentliches Gebäude und Wiederherstellung eingesetzt hat und diese Rückführung nun auch nicht mehr sinnvoll wäre."

Heute würden wahrscheinlich viele Erdinger das anders sehen. So wie Michael Lang. Er ist Mitglied des Historischen Vereins und seit vielen Jahren an der geschichtlichen Entwicklung seiner Heimatstadt interessiert. Nach dem Bericht in der SZ über die Grabungsergebnisse am Königshof hat er sich an die Redaktion gewandt und in dem Zusammenhang auf das Peterskircherl hingewiesen.

Lang bedauert heute noch, dass dieser im Kern frühchristliche Kirchbau abgerissen worden ist und er verweist auf Kapellen zum Beispiel in Südtirol, die über Jahrhunderte als Schmiede oder Schreinerei gedient hätten. Oft seien sie an schäbigem Anblick nicht zu überbieten, räumt er ein, "aber wer einmal gesehen hat, was die Gebäude unter Putz und Farbschichten an Fresken und Bauplastik freigaben, kommt aus dem Weinen über diesen unseren Verlust nicht raus".

Zeitzeugen gesucht: Archäologe Marc Miltz und Museumsleiter Harald Krause bitten die Erdinger um Mithilfe bei den Recherchen zur Kirche St. Peter. Wer etwas über den Verbleib der Tuffsteine und der Einrichtung des Gotteshauses weiß oder Fotos, Zeichnungen oder andere schriftliche Dokumente besitzt, kann sich gerne an das Museum Erding wenden, Telefon: 08122/408-158.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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