Erzählperspektive:Wie Philipp die Welt sieht

Ulrich Schorr mit Enkel Philipp

Der zweijährige Philipp Schorr hält seine Biographie in Händen. "Ghostwriter" ist Opa Ulrich.

(Foto: Stephan Görlich)

Ulrich Schorr schlüpft für Buch in die Rolle seines Enkelkindes

Von Regina Bluhme, Erding

Was denkt und fühlt eigentlich ein Kleinkind, wenn es das erste Mal im Kinderwagen durch den Erdinger Stadtpark fährt oder das erste Mal das Herbstfest besucht? Es wundert sich natürlich gewaltig. Zumindest stellt sich Ulrich Schorr das so vor. Der 71-jährige Erdinger hat ein Buch über das erste Lebensjahr seines Enkels Philipp geschrieben - aus der Perspektive des kleinen Buben. "Aus dem Nähkästchen. Mein erstes Jahr" heißt das ungewöhnliche Werk, in dem ein Opa in die Rolle des Enkels schlüpft.

"Ein Einjähriger erzählt seine Lebensgeschichte", lautet der Untertitel des Buchs. Nun dürfte es kaum eine Biographie geben, in der ein Autor so kenntnisreich über sein erstes Lebensjahr berichtet wie der kleine Philipp Schorr aus Erding. Sogar an die Monate im Mutterleib kann sich der mittlerweile Zweieinhalbjährige ganz genau erinnern, dort macht er sich zum Beispiel Gedanken, wie denn wohl die Mama aussieht. Auch von seiner anstrengenden Geburt erzählt er recht detailliert.

In insgesamt 15 Kapiteln lässt Philipp den Leser bereitwillig an seinem weiteren Lebensweg teilhaben. Zum Beispiel an seinem ersten Besuch des Erdinger Volksfests mit einem halben Jahr: "Unglaublich viel Lärm um uns herum, manchmal aber auch schöne Musik, die ganz verschieden klang und aus allen Richtungen kam, ich meinte sogar, Melodien einige Kinderlieder zu hören, die mir Opa öfters vorsang." So schildert das Baby Philipp alias Opa Ulli seine Eindrücke. Der Bub bestaunt die vielen Farben und die vielen Fahrgeschäfte und betrachtet beim Brotzeitmachen neugierig das riesige Bierglas vor ihm.

Fürs erste Lebensjahr des Buben kommen da sage und schreibe 287 Seiten zusammen, das Buch enthält aber auch einen sehr persönlichen Brief vom Opa an Philipp sowie zahlreiche Fotos des niedlichen kleinen Jungen, gerne im Kreise der Familie aufgenommen. Dazwischen streut "Ghostwriter" Ulrich Schorr ein fiktives Opa-Enkel-Gespräch ein und lässt sogar Gott zu Wort kommen.

Ulrich Schorr ist in Erding aufgewachsen. Bis zu seiner Pension war der studierte Jurist in einem Münchner Versicherungskonzern tätig. Er habe immer schon gerne formuliert und Bücher über seine vielen Reisen geschrieben, berichtet er. Seine eigene Lebensgeschichte habe er bereits verfasst und als im April 2015 Enkel Philipp geboren wurde, sei ihm die Idee gekommen, das erste Jahr im Leben des Kleinen zu erzählen.

Er wolle stellvertretend für sein Enkelkind wiedergeben, was es im ersten Lebensjahr "gesehen, erlebt, gespürt und gefühlt, warum es gelacht und geweint haben wird", erklärt Ulrich Schorr. Natürlich gingen dabei "Sein und Schein und Wirklichkeit ineinander über" - aber das gilt ja für manch anderes biographische Werk sicher auch.

Das Buch "Aus dem Nähkästchen. Mein erstes Jahr. Ein Einjähriger erzählt seine Lebensgeschichte" ist im Reimo-Verlag, Oberding, zum Preis von 19,90 Euro erschienen. Als Autor firmiert Philipp Schorr.

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