Erinnerung an NS-Opfer:Noch lange nicht vergessen

Am Anne-Frank-Gymnasium wächst eine Kastanie und am Korbinian-Aigner-Gymnasium ein Apfelbaum. Die Schulen pflegen die Bäume, die auf besondere Weise an die beiden NS-Opfer erinnern

Von Sophia Belliveau, Erding

Erinnerung an NS-Opfer: Die Kastanie, die am Anne-Frank-Gymnasium (links) wächst, ist ein Ableger des Baumes, den Anne Frank vom Fenster ihres Versteckes aus gesehen hat. Am Korbinian-Aigner-Gymnasium kann man in diesem Jahr erstmals Äpfel ernten, sie sind eine Züchtung des Namenspatrons der Schule.

Die Kastanie, die am Anne-Frank-Gymnasium (links) wächst, ist ein Ableger des Baumes, den Anne Frank vom Fenster ihres Versteckes aus gesehen hat. Am Korbinian-Aigner-Gymnasium kann man in diesem Jahr erstmals Äpfel ernten, sie sind eine Züchtung des Namenspatrons der Schule.

(Foto: Renate Schmidt)

Als Gedenkstätte für ihre berühmten Namensgeber haben sowohl das Anne-Frank-Gymnasium (AFG) als auch das Korbinian-Aigner-Gymnasium (KAG) auf dem Schulgelände Bäume gepflanzt. Die Anne-Frank-Kastanie und der Korbinian-Aigner-Apfelbaum sind stetig wachsende Symbole der Erinnerung an eine dunkle Periode der deutschen Vergangenheit. Die Bäume sollen diese Erinnerung auch an kommende Generationen weitergeben und dafür sorgen, dass Anne Frank, Korbinian Aigner und alle Opfer sowie die Verfolgten des Nationalsozialismus' nicht in Vergessenheit geraten.

Ein Ableger aus Amsterdam

Um einen Ableger der ursprünglichen Anne-Frank-Kastanie in Amsterdam hat sich das AFG Erding bereits 2009 bemüht. "Wir hätten gerne zum 80. Geburtstag von Anne Frank einen Ableger für unsere Schule bekommen", sagt Schulleiterin Helma Wenzl. Dies war jedoch laut den Verantwortlichen vom Anne-Frank-Huis in Amsterdam wegen eines Pilzbefalls an der Kastanie nicht möglich. "Wir waren natürlich enttäuscht, dass es nicht geklappt hat. Dafür hat es uns umso mehr gefreut, als uns dann 2010 überraschend doch ein Setzling aus Amsterdam geschickt wurde." Im August 2010 musste zudem die Original-Kastanie in der Amsterdamer Prinsengracht 263 wegen eines starken Unwetters gefällt werden, sodass "der Ableger für uns noch mehr Bedeutung erhalten" hat.

Der sehr kleine und zarte Ableger "musste bei einer Kollegin überwintern", wurde dann auf dem Schulhof eingepflanzt und mit einer Gedenktafel versehen. Nach acht Jahren ist der winzige Setzling zu einem kleinen, aber stabilen Baum herangewachsen. Laut Wenzl bereitet die Aufzucht der Kastanie inzwischen überhaupt keine Schwierigkeiten mehr. "Wir haben ihr nur am Stamm eine Holzverkleidung verpasst, damit die Schüler nicht versehentlich in der Pause mit ihren Fußbällen dagegen schießen." Weiterhin werde die Anne-Frank-Kastanie "bei jeder Schulhausführung den künftigen Fünftklässlern gezeigt".

Am AFG Erding erinnert nicht nur die Kastanie an die Namensgeberin der Schule. Jedes Jahr lassen sich neue Schülerinnen und Schüler meist aus der Oberstufe oder den zehnten Klassen zu Anne-Frank-Botschaftern ausbilden. Dieses Schuljahr gibt es 15 Anne-Frank-Botschafter, die sich im Rahmen des Arbeitskreises über Anne Frank informieren und ihr neues Wissen dann an die jüngeren Schüler weitergeben.

Die Gedenktafel - wichtiger als gedacht

"Die Botschafter zeigen sehr viel Engagement", sagt Helma Wenzl. Ihr Ziel sei es, die Schüler des Anne-Frank-Gymnasiums nicht mit Informationen über Anne Frank zu überhäufen, sondern deren Interesse zu wecken, damit sie sich selbst mit dem Thema befassen. "Ich sehe oft, wie Schüler die Gedenktafel an der Kastanie betrachten. Das hätte ich vor der Einrichtung der Tafel gar nicht gedacht. Bei vielen ist Anne Frank auch im Alltag präsent. Sie fragen sich, was Anne in bestimmten Situationen denken oder tun würde", sagt die Schulleiterin.

Zum ersten Mal wird es am Korbinian-Aigner-Gymnasium in diesem Herbst voraussichtlich eine Apfelernte geben. Der Apfelbaum stehe zwar bereits seit 2010 auf dem Schulhof des KAG, er habe aber in den vergangenen Jahren nicht genügend Früchte für eine richtige Ernte getragen, sagt Gerhard Häußler von der Schulleitung. Der Baum, der dem Apfelpfarrer Korbinian Aigner gewidmet ist, habe am Anfang nicht genügend Platz gehabt, um sich zu entfalten. "Deshalb haben wir zusammen mit der Firma Wurzer dafür gesorgt, dass er mehr Raum erhält", berichtet Häußler. Inzwischen ist der Baum "leider noch nicht ganz selbständig", aber dennoch auf einem guten Weg. Was die Schule mit den Äpfeln machen wird, weiß Häußler noch nicht genau. "Wir haben ja noch keine Erfahrung." Wahrscheinlich werde man sie für die Schüler auslegen, damit sie die Äpfel als gesunden Snack zwischendurch mitnehmen können. Die Äpfel gehören zu der von Korbinian Aigner selbst gezüchteten Sorte KZ-3, die 1985 in "Korbiniansapfel" umbenannt wurde.

Ein Apfel im Schullogo

Nicht nur durch den Apfelbaum ist Korbinian Aigner auf dem Schulgelände präsent. In den Gängen des Gymnasiums hängen Informationsplakate zum Namensgeber der Schule. An der Glasfront im Eingangsbereich wurde ein großes Gemälde angebracht, das den Geistlichen und Pomologen darstellt. Auch die Schulverfassung des KAG ist von Korbinian Aigner beeinflusst. Seine humanistische Haltung sowie sein Mut und Anti-Extremismus sollen den Schülern ein Vorbild sein. Das beginne schon bei den fünften Klassen. "Viele neue Schüler fragen uns natürlich, wer Korbinian Aigner ist", erklärt Häußler. Da nutze man die Gelegenheit, sie zu informieren. Weiterhin sei es bei Schulführungen wichtig, den Baum zu zeigen. "Der Apfel ist auch unser Schullogo und deshalb überall im Schulhaus zu sehen."

Sowohl der Apfelbaum als auch die Kastanie stehen vor allem für Hoffnung. Als Anne Frank von ihrem Versteck in der Prinsengracht aus in den Hinterhof blickte, gab es ihr Zuversicht, dort die Kastanie zu sehen. "Von meinem Lieblingsplatz aus auf dem Boden sehe ich hinauf in den blauen Himmel und in den kahlen Kastanienbaum, an dessen Zweigen kleine Tropfen wie Silber glitzern. Solange dies andauert, kann ich nicht unglücklich sein", schrieb sie am 23. Februar 1944. Korbinian Aigner brachte, indem er Apfelsorten züchtete und zwei Bäume pflanzte, ein wenig Hoffnung und neues Leben in das Konzentrationslager in Dachau.

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