Schläge mit Masskrug auf Erdinger Volksfest:Den Tod billigend in Kauf genommen

Geretsrieder Sommerfest 2013

Immer wieder gibt es auf den Volksfesten gefährliche Attacken mit Maßkrügen. Eine Anklage wegen Totschlag ist keine Seltenheit mehr.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Auf dem Volksfest hat ein Erdinger am Wochenende mit einem Masskrug auf den Kopf eines Münchners eingeschlagen. Die Staatsanwaltschaft wertet ein solches Delikt seit einigen Jahren als versuchte Tötung.

Von Sara Maria Behbehani, Erding

Wer mit einem Masskrug auf einen anderen Menschen einschlägt, der muss seit einigen Jahren damit rechnen, nicht wegen gefährlicher Körperverletzung, sondern wegen versuchten Totschlags angeklagt zu werden. In solchen Fällen greift die Staatsanwaltschaft zunehmend härter durch. Das bekommt nun ein 27-jähriger Erdinger zu spüren. In der Nacht von Samstag auf Sonntag soll er in einem Bierzelt auf dem Erdinger Herbstfest einem 35-jährigen Münchner zwei Mal mit einem Masskrug auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen haben. Dabei erlitt der Münchner einen Nasenbeinbruch sowie eine Gehirnerschütterung und wurde mit seinen Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht. Der Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft. Die Schläge mit dem Masskrug wertet die Staatsanwaltschaft Landshut nämlich auch in diesem Fall als versuchtes Tötungsdelikt. Ein Ermittlungsrichter hat bereits am Sonntag den Haftantrag der Staatsanwaltschaft bestätigt.

Von einem versuchten Tötungsdelikt ist hier laut Staatsanwalt Achim Kinsky wegen der "Gefährlichkeit der Tatausführung" auszugehen. Dies sei auch keine Besonderheit: Wenn auf der Wiesn in München mit einem Masskrug geworfen oder zugeschlagen würde, ginge man ebenfalls von einem Tötungsdelikt aus. Das liegt daran, dass ein Masskrug überaus massiv ist. Wird er mit Wucht auf Gesicht oder Kopf geschlagen, wirkt er laut Staatsanwalt wie ein Ziegelstein. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Wissenschaftler um den Rechtsmediziner Jiri Adamec der LMU München, die sich in einer Studie mit dem "Masskrug als Schlagwerkzeug" befasst haben. Darin schreiben die Wissenschaftler, dass die Masse von 1,3 Kilo sowie die gute Handhabung durch den Henkel die Masskrüge zu effektiven Schlagwerkzeugen machten.

Die Messdaten ihrer Studie zeigen, dass bei intensiven Schlägen eine Kraft von mehr als 8,5 Kilonewton erreicht wird. Ein Schädel im Scheitelbereich bricht bereits bei ungefähr vier Kilonewton. Die erhobenen Daten zeigen ebenfalls, "dass Masskrüge im Vergleich zum menschlichen Schädel eine höhere Festigkeit aufweisen". Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei entsprechender Schlagintensität, "mit der Entstehung von Schädelfrakturen und nicht mit dem Zerbrechen des Masskrugs zu rechnen" sei. Auf dem Erdinger Volksfest war die Wucht der Schläge nun so massiv, dass sie laut Staatsanwalt Kinsky dazu "geeignet waren, tödliche Verletzungen herbeizuführen". Dass das Opfer durch den Angriff hätte sterben können, habe der Schläger billigend in Kauf genommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Masskrugschläger wegen Totschlags verurteilt werden könnte. Am 10. April 2015 verurteilte das Landgericht München II einen Dachauer wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Haft. Auf dem Dachauer Volksfest hatte er mit zwei Bierkrügen auf sein Opfer eingeschlagen, wodurch es zu stark blutenden Schnittwunden, einer Schädelprellung sowie einer Gehirnerschütterung gekommen war. Der Angeklagte habe, als er auf sein Opfer einschlug, damit gerechnet, dass er ihn töten könnte, sagte der Vorsitzende Richter damals bei der Urteilsbegründung. Ob jemand durch einen Schlag mit einem Masskrug auf den Kopf letztlich getötet wird oder nicht, sei Zufall. Es hat jedoch auch schon mildere Urteile in ähnlichen Fällen gegeben. Was den Erdinger nun erwartet, muss die Gerichtsverhandlung schließlich zeigen.

Da die Ermittlungen erst am Anfang stehen, können weder Staatsanwalt, noch die ermittelnde Kriminalpolizei Erding eine Aussage darüber treffen, wie es zu dem Streit kam. Fest steht allerdings, dass der mutmaßliche Schläger alkoholisiert war. In seinem Blut wurde Alkohol in Höhe von ein Promille nachgewiesen. Sein Opfer war laut Staatsanwaltschaft nüchtern.

In der Geschichte des Erdinger Volksfests ist diese Masskrug-Schlägerei herausragend. Bei einer Masskrug-Attacke 2011 kam es zu einer gefährlichen Körperverletzung. Laut Kriminalpolizei waren die Verletzungen damals jedoch nicht so massiv. Seitdem gab es keine Gewaltausbrüche mehr in dieser Schwere. Nun wurde der Auftakt des 79. Erdinger Herbstfestes erheblich getrübt.

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