Süddeutsche Zeitung

Erdinger Volksfest:Abg'sagt is

Alle Volksfeste werden gestrichen, um die Corona-Pandemie in Schach zu halten. Das ist verständlich, dennoch ist man in vielen Gemeinden darüber betrübt

Von Thomas Daller, AntoniaSteiger und Gerhard Wilhelm

Auch die introvertiertesten Menschen unter uns dürften langsam wieder an dem Gedanken Gefallen gefunden haben, mal wieder unter Leute zu gehen, Spaß zu haben, zu reden, gemeinsam zu essen und zu trinken. Aber daraus wird vorerst nichts: Die neuen Regelungen, mit der die lokalen Ausläufer der Corona-Pandemie in Schach gehalten werden sollen, laufen darauf hinaus, dass alle Volksfeste im Frühling, Sommer und Herbst gestrichen werden. Das betrifft im Landkreis viele kleine Feiern, aber auch ein paar große, zum Beispiel die Volksfeste in Erding, Dorfen, Taufkirchen und Wartenberg. Dort treffen sich nicht nur die Bürger, dort badet auch die Lokalprominenz in der Menschenmenge, vor allem die Politiker. Und die sind betrübt.

Erding

Herbstfest, Sinnflut und Altstadtfest - alles gestrichen, wenngleich die Beschlüsse dazu noch gefasst werden müssen. Erdings OB Max Gotz (CSU) sagt, ihm sei eine klare Ansage lieber als ein ewiges Abwarten. Viele Veranstaltungen hätten einen großen Vorlauf, vor allem in diesem Jahr das Herbstfest, das zum 80. Mal hätte stattfinden sollen. Ein großer Blumenkorso war geplant, und es habe so viele Anmeldungen wie noch nie gegeben. "Mir tun die Ehrenamtlichen leid", sagt Gotz. Sie haben schon jetzt viel Vorarbeit geleistet, aber sie soll nicht vergeblich gewesen sein: Schon früher gab es in der Historie des Erdinger Volksfestes Unterbrechungen, wie in diesem Jahr. Deswegen kann man das 80. Herbstfest einfach im nächsten Jahr nachfeiern - wie auch viele andere Jubiläen. Und da sieht Gotz Probleme am Horizont aufsteigen: Damit sich die Feste im kommenden Jahr nicht zu sehr an ein paar Terminen häufen, möchte die Stadt Erding den Vereinen und Veranstaltern koordinierend zur Seite stehen. Ausdrücklich sind alle aufgefordert, sich an das Rathaus zu wenden, wenn sie im kommenden Jahr feiern wollen, ob nachgeholt oder ganz regulär. Darauf weist Gotz hin.

Die Feste, auch die Straßenfeste und Sinnflut, auf die Stadtteile verteilte Kultur- und Sportveranstaltungen werden in diesem Jahr jedoch fehlen, davon ist Gotz überzeugt. "Da wird man erst merken, wie schön diese Feste sind - und dass sie nicht selbstverständlich sind."

Dorfen

Relativ gefasst ist Dorfens Bürgermeister Heinz Grundner: "Die Situation hat sich mit den Entscheidungen in Berlin verfestigt, dass wir das Volksfest nicht halten werden können. Das ist ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Schaden, keine Frage. Dabei ist unser Volksfest eine Traditionsveranstaltung seit 1876. Mir sind nur wenige Jahre bekannt, in denen es ausgefallen ist. Das ist natürlich ein Riesenproblem, auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Aber es nützt alles nichts, die Situation gebietet es und da müssen wir durch." Weder bestätigen noch dementieren will der Dorfener Bürgermeister, dass es Überlegungen gibt, dass man das Fest zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr vielleicht in einem kleineren Rahmen nachholt. "Das wird eher schwierig, aber das muss erst im Stadtrat besprochen werden", sagt Grundner.

Taufkirchen

In Taufkirchen fehlt nicht viel, dass man die Flaggen auf Halbmast senkt. Das Volksfest ist abgesagt. Für die Taufkirchener kommt das fast einer Tragödie gleich. Sie haben eine ganz besondere Beziehung zu diesem Fest. Es kommen Freunde und Bekannte aus Nah und Fern, und es hat einen familiären Charakter, der in dieser Form wohl einmalig im Landkreis ist. Hinzu kommt, dass heuer auch noch ein Jubiläum gefeiert worden wäre: Es wäre das 60. Volksfest in Taufkirchen gewesen und das wollte man auch ganz besonders feiern. Bürgermeister Franz Hofstetter klang gestern am Telefon schon etwas geknickt. Er hatte sich darauf eingestellt, dass der ebenfalls sehr beliebte Adlberger Markt Ende Mai ausfallen werde, aber beim Volksfest hatte er noch Hoffnung. Sicher hat er Verständnis, aber andererseits sei es schon traurig, sagte er. "Wenn das Volksfest in Taufkirchen nicht stattfindet, geht einfach etwas ab im Jahresablauf. Man trifft sich, man ratscht, das ist Lebensqualität. Für uns in Taufkirchen ist das etwas ganz besonderes. Das gibt es in dieser Form woanders nicht." Er könne sich noch gut daran erinnern, wie man in Taufkirchen das 25. und das 50. Volksfest gefeiert habe und dass es lediglich in den Anfangsjahren ein einziges Mal ausgefallen sei. Aber nun gebe es keine Diskussionsgrundlage; "uns sind die Hände gebunden". Stefan Haberl, sein Nachfolger im Amt, ist im übrigen auch ein riesengroßer Fan: Er war in den vergangenen sechs Jahren zusammen mit Thomas Unterreitmeier Volksfestreferent. Eine Aufgabe, die beide mit Begeisterung ausfüllten.

Sein erstes Anzapfen als Bürgermeister muss Haberl jetzt verschieben. Eigentlich hätte Christian Pröbst als neuer Bürgermeister heuer zum ersten Mal das Volksfest in Wartenberg am 18. Juni eröffnen sollen, aber daraus wird bekanntlich nicht - oder vielleicht doch: "Im Juni fällt es aus, aber sobald es irgendwie geht, wollen wir es heuer vielleicht noch nachholen. Ich hab bereits mit der Schaustellerfamilie Rilke geredet, die Schausteller haben ja nach dem jüngsten Beschluss leider eh nichts zu tun, und wir können relativ schnell in Wartenberg dann ein Volksfest auf die Beine stellen. Auch der Festwirt ist flexibel und jeder wäre froh, wenn heuer noch was ginge. Aber das müssen wir auf uns zukommen lassen und der Gemeinderat dem zustimmen. Eine komplette Absage wäre sehr schade, weil das schönste Fest des Marktes die letzten Jahre sehr erfolgreich war. Die Leute waren alle zufrieden. Derzeit geht aber die Gesundheit vor."

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Quelle:
SZ vom 17.04.2020
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