Erdinger Milchbauern:"Die Lage ist traurig, traurig, traurig"

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Schlechte Stimmung bei der Generalversammlung der Erdinger Molkereigenossenschaft. Der stete Strukturwandel und der niedrige Milchpreis machen den Bauern zu schaffen

Von Philipp Schmitt, Kirchasch

Die Stimmung war denkbar schlecht bei der Generalversammlung der Molkereigenossenschaft (MGE) Erding am vergangenen Mittwoch in Kirchasch: Es sind stürmische Zeiten für die Milchbauern im Landkreis, die unter dem anhaltenden Strukturwandel, einer schwierigen Marktlage und natürlich dem Preisverfall bei Milch zu kämpfen haben.

"Die Zeiten sind alles andere als einfach", sagte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) - er ist selbst Landwirt. Zwar würden die Milchbetriebe im Landkreis immer weniger; man müsse aber weiter kämpfen, denn die Milchwirtschaft habe im Landkreis immer noch eine große gesellschaftliche Bedeutung. Ohne sie, so sagte der Landrat, "würde der Landkreis ein Stück seiner Identität verlieren". "Die Lage ist traurig, traurig, traurig", sagte auch der MGE-Aufsichtsratsvorsitzende Josef Eicher aus Wetting. Die Marktlage ist einfach schlecht, und werde sich, wie es hieß, so schnell auch nicht ändern: Ein deutlich höherer Milchpreis sei derzeit nicht in Sicht, im Gegenteil; die großen Supermarktketten sorgen gegenüber den Molkereien in den Verhandlungen für mächtig Druck und fordern neben günstigen Milcheinkaufspreisen auch zusätzliche Qualitätsstandards. Der Preis in Süddeutschland sei zwar im Vergleich mit Norddeutschland noch Spitze, was die Milchbauern in Kirchasch aber im Hinblick auf den Rekordpreis von 2014 nicht besänftigte. Der Milchpreis 2016 sei im Vergleich mit dem Vorjahr deutlich gesunken und weit vom Rekordjahr 2014 Rekord entfernt: 30 Cent pro Kilogramm wird es nicht mehr geben dieses Jahr, eher 25 Cent und darunter. 2014 waren es noch 39 Cent je Kilogramm. "Unsere Kosten explodieren, gleichzeitig fallen die Preise und steigen die Anforderungen - so geht es nicht weiter", sagte eine verärgerte Milchbäuerin. Die Zeichen für den "gewaltigen Wandel" in der Milchbranche, wie es der Bockhorner Bürgermeister und Landwirt Hans Schreiner (FWG) nannte, sind im Landkreis nicht mehr zu übersehen. Noch vor 15 Jahren füllte die Generalversammlung der MGE während des Erdinger Herbstfestes locker ein Bierzelt - doch die rosigen Zeiten sind vorbei. Die MGE hatte wegen der schrumpfenden Mitgliederzahlen die seit 1955 gepflegte Herbstfesttradition 2014 aufgegeben. 2015 kam man in der Stadthalle unter, 2016 schließlich in Kirchasch. Der Saal dort war für die 105 Mitglieder vollkommend ausreichend - vor 20 Jahren noch undenkbar. Die 1939 gegründete MGE hatte 2014 noch knapp 600 Mitglieder, 2015 waren es es nur noch 436 - 210 von ihnen aktive Milcherzeuger. "Wir hatten euch gerne weiter in Erding gehabt, schade um die traditionelle Versammlung beim Herbstfest", sagte der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU). "Aber ihr habt die Zeichen der Zeit erkannt." Auch in diesem Jahr hätte er aus Solidarität die Stadthalle der MGE kostenlos zur Verfügung gestellt. Beleidigt war er den Milchbauern aber nicht, dass sie sein Angebot nicht annahmen. Besonders klar wurde heuer der Wandel in der Branche an der Spitze der Genossenschaft. Am Mittwoch wurde Simon Selmeier als Vorstandsvorsitzender verabschiedet. Er hatte "schweren Herzens", wie er sagt, die Milcherzeugung aufgegeben und ist im März deshalb überraschend als Vorstandsvorsitzender der MGE ausgeschieden. Bis zu einer Neuwahl wird er von Eva Brielmair vertreten. Einen Lichtblick aber gibt es: Trotz der schwierigen Marktlage ist die Genossenschaft die Bilanz für 2015 mit einem Jahresüberschuss von knapp 53 000 Euro positiv ausgefallen. Die Dividende liegt bei sechs Prozent. Mit dem Milchgeschäft hat das aber wenig zu tun: Denn nach der Stilllegung des Molkereibetriebs in Erding sorgt der dort 1996 realisierte Sempta Wohnpark für Gewinne - dem Immobilienboom sei Dank. Sowohl die im vergangenen Jahr verarbeitet Milch als auch der Erlös daraus gingen allerdings zurück: 51,5 Millionen Kilogramm Milch sorgten für einen Erlös von 16,3 Millionen Euro; lag dieser noch bei 20,8 Millionen Euro.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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