Süddeutsche Zeitung

Erdinger Kreistag:Watsche für neue Ausschussgemeinschaft

Anlässlich der Neubesetzung von Ausschüssen rechnen SPD und Grüne mit der AfD ab. Formaljuristisch können sie nicht daran rütteln

Von Thomas Daller, Erding

Der Austritt von Rainer Forster zuerst aus der ÖDP und dann aus der ÖDP-Fraktion im Kreistag hat der ÖDP den Fraktionsstatus gekostet. Als Parteiloser hat sich Forster den beiden Kreisräten der AfD angeschlossen und ihnen damit zu Fraktionsstärke verholfen. Im Kreisausschuss musste daher am Montag die Neubesetzung der Ausschüsse durch Forster und die beiden Kreisräte der AfD geregelt werden. Obwohl die neue Ausschussgemeinschaft einen Rechtsanspruch darauf hat, stimmten SPD und Grüne dagegen. Sie wollten damit ein Zeichen setzen, dass "die AfD nicht zum demokratischen Parteienspektrum" zähle. Helga Stieglmeier (Grüne) bezog sich in ihren Ausführungen unter anderem auf den früheren CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, der die Meinung vertrete, die AfD sei faschistisch: "Ich schließe mich Herrn Polenz vollumfänglich an."

Trotz Rechtsanspruch muss abgestimmt werden.

Forster wurde 2014 für die ÖDP in den Kreistag gewählt, war jedoch zunehmend isoliert: Er hat im März 2017 seinen Job als Diözesansekretär der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) verloren, weil er sich nicht gegen die neue Rechte und Verschwörungstheoretiker abgrenzte, sondern vielmehr solche immer wieder zu KAB-Veranstaltungen einlud. Zudem warf man ihm "Kumpanei" mit AfD-Mitgliedern vor, insbesondere sein anscheinend freundschaftliches Verhältnis zum Erdinger AfD-Kreisvorsitzenden Wolfgang Kellermann. Forster trat daraufhin bereits im Februar 2019 aus der Partei der ÖDP aus und Mitte August auch aus der ÖDP-Fraktion im Kreistag. Dadurch verschob sich der Fraktionsstatus von der ÖDP zur AfD und somit musste die Besetzung der Ausschüsse neu geregelt werden.

Die Rechtslage ist in so einem Fall ambivalent: Einerseits hat die AfD-Ausschussgemeinschaft laut Landkreisordnung und Geschäftsordnung des Kreistags einen Rechtsanspruch auf diese Ausschusssitze. Theoretisch hätte der Kreisausschuss somit nur die Möglichkeit, diese Neubesetzung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Tatsächlich müssen die Mitglieder des Kreisausschusses jedoch darüber abstimmen. Und mit einer Gegenstimme kann man somit ein Zeichen setzen, dass man diese Ausschussgemeinschaft ablehnt. Und diese Möglichkeit nahmen Ulla Diekmann und Gertrud Eichinger (beide SPD) und Helga Stieglmeier für sich in Anspruch. Diekmann warf Forster in ihrer Stellungnahme vor, dass er "durch seinen Beitritt einer rechten Partei zur Fraktionsstärke verhilft, die in ihren Aussagen unseren demokratischen Grundwerten widerspricht".

Die AfD ist bei den Wahlen gar nicht angetreten.

Stieglmeier sprach von "Wählerbetrug", weil die AfD bei den vergangenen Kommunalwahlen gar nicht angetreten sei. Darüber hinaus berief sie sich bei der politischen Einschätzung der AfD auf den Unionspolitiker Polenz, der anlässlich einer Rede beim Kolping-Diözesanverband gesagt habe, der Begriff Populismus für die AfD sei verharmlosend. "Es sei besser, von Rechtsradikalen und Rechtsextremisten zu sprechen"; "Ich würde sogar vorziehen, von Faschismus zu sprechen", zitierte Stieglmeier den früheren CDU-Generalsekretär. Stieglmeier wies auf Zitate von Björn Höcke und Alexander Gauland hin, die dem Nazi-Jargon entstammen würden. Aktueller Höhepunkt seien die "unglaublichen Entgleisungen" von Martin Sichert auf dem bayerischen Landesparteitag der AfD, der Ministerpräsident Markus Söder als "Hure der bayerischen Politik" bezeichnet habe.

Dafür erhielt Stieglmeier breite Zustimmung im Kreisausschuss, obwohl sich die Mitglieder der anderen Fraktionen auch auf den Standpunkt beriefen, man könne der AfD formaljuristisch den Fraktionsstatus und die Neubesetzung der Ausschüsse nicht verwehren. Sogar Thomas Bauer, ansonsten eher ein Scharfmacher der CSU, sagte: "Ich sehe das genauso wie sie, Frau Stieglmeier, was die Beurteilung angeht. Aber wir müssen das Recht akzeptieren, auch wenn es uns nicht passt." Seitens der ÖDP sagte Stephan Treffler, er werde nicht gegen die Neubesetzung der Ausschüsse stimmen, weil sich die AfD "sonst wieder in ihrer Opferrolle inszeniert". Die Auflösung der ÖDP-Fraktion wurde einstimmig akzeptiert, die neue Ausschussgemeinschaft mit den drei Gegenstimmen.

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SZ vom 17.09.2019
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