Süddeutsche Zeitung

Erding:Zwischenstation: Bauhof Erding

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Das Kunstwerk für die Freisinger Brücke wartet darauf, aufgestellt zu werden. Doch dem Projekt kommt eine Umleitung in die Quere

Von Regina Bluhme, Erding

Ein stilisierter drei Meter hoher Glockenturm des Münchner Künstlers Christian Hinz soll die Brücke an der Freisinger Straße schmücken. Die komplettsanierte Brücke über den Fehlbach ist seit zwei Jahren freigegeben und die Skulptur längst fertiggestellt. Aktuell steht das Kunstwerk aber auf dem Erdinger Bauhof herum. Dort wird es noch länger bleiben. So lange, bis die Bauarbeiten in der Innenstadt beendet sind, wie bei der Erdinger Stadtverwaltung zu erfahren ist: Die Umleitungsstrecke führt just über die Brücke und weil fürs Aufstellen des Kunstwerks eine zumindest halbseitige Sperrung nötig wäre, wird sich die Sache sicher ins nächste Jahr ziehen. Mindestens.

Seit August 2018 ist die Brücke über den Fehlbach nach einer Komplettsanierung wieder für Autoverkehr und Fußgänger freigegeben. Christian Hinz hatte von der Stadt den Auftrag erhalten, ein Kunstwerk für die neue Brücke zu schaffen. Es soll an die Geschichte der Glockengießerei in Erding erinnern. Gleich neben der Brücke hatte einst Familie Bachmair eine Gießerei betrieben, unter dem Nachfolger Karl Czudnochowsky wurde bis in die 70er Jahre weitergemacht. Die Glocken waren in ganz Bayern bekannt und beliebt und wurden bis in die Schweiz und Spanien geliefert.

Der stilisierte Glockenturm von Christian Hinz ist circa drei Meter hoch. Zwei Edelstahlplatten sind miteinander verkreuzt und so geschnitten, dass sie nach innen die Silhouette einer Glocke zeigen. Die Glocke selbst wurde mit Edelstahl-Ringen "nachgezeichnet", so Hinz. Der Glockenturm selbst steht auf einer Platte und ragt, in den im Zuge der Sanierungsarbeiten verbreiterten Gehweg hinein. Zuletzt war von 40 000 Euro Gesamtkosten die Rede.

Zum Konzept gehört, dass ein im Boden eingelassener Strahler die Skulptur von unten beleuchtet. Außerdem soll einmal ein QR Code in der Nähe des Kunstwerks auf die Dauerausstellung über das Erdinger Handwerk im Museum Erding hinweisen. Auf dem Kunstwerk sollen Vorhängeschlösser eingehängt werden mit den Namen von Glockengießern und der berühmtesten Glocken, die in Erding gefertigt worden sind. Christian Hinz hat im Laufe seiner Arbeit ein PDF aus Göttingen bekommen, darin waren allein 6000 Glocken made in Erding aufgelistet. 500 davon sind laut Hinz bereits graviert worden, unter anderem mit Angabe des Entstehungsorts, Größe, Gewicht, sogar der Schlagton ist angegeben.

Aber auch die Erdinger Bürger dürfen Vorhängeschlösser beschriften. "1650 Stück haben auf der Skulptur insgesamt Platz", schätzt Christian Hinz. Die Stadt will einheitliche Schlösser anschaffen, "wildes Einhängen" soll so verhindert werden, nicht zuletzt, um auch dem Kunstcharakter keinen Abbruch zu tun.

Anschlüsse für den Strahler, der das Werk von unten beleuchten soll, sind auf der Brücke bereits vorhanden. "Man bräuchte sie nur noch anzudübeln", so Hinz. Das Ganze wird sich aber wohl noch hinziehen, schätzt Christian Wanninger, Pressesprecher der Stadt Erding. Die Bauarbeiten in der Innenstadt laufen noch, namentlich die vom Abwasserzweckverband. Einen Termin könnte er nicht nennen, aber bis ins nächste Jahr werde es die Umleitung über die Freisinger Brücke schon noch geben.

Vor der Komplettsanierung erinnerten auf der Brücke zwei steinerne Portraits an die Erdinger Gießereitradition. Dass der männliche Kopf Anton Josef Bachmair zuzuordnen ist, darüber herrscht kein Zweifel. Er lebte von 1851 bis 1925 in Erding und war Besitzer einer Glockengießerei direkt neben der Brücke. Sein Kopf, der von den Werkzeugen Hammer und Zange umrahmt ist, blickt genau in Richtung des ehemaligen Betriebsgeländes, das mittlerweile abgerissen worden ist. Wer für den hübschen Frauenkopf Modell gestanden hat, das ist nicht wasserdicht belegt. Die reichlich vermoosten und von Rissen durchzogenen Reliefs wurden vor der Erneuerung der Brücke abgenommen und eingelagert.

Ein Mini-Modell des modernen Erdinger Glockenturms war einige Zeit im Museum Erding öffentlich ausgestellt. Inzwischen soll es im Büro von Stadtbaumeister Sebastian Henrich stehen. Keine schlechte Idee, findet der Münchner Künstler Christian Hinz, so werde das Kunstwerk auf jeden Fall nicht in Vergessenheit geraten.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2020
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