Süddeutsche Zeitung

Immobilienmarkt Erding:Da geht noch was

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In Erding gibt es Grundstücke mit Baupotenzial, und die Investoren drängen. Aber die Stadt will gar nicht so rasant wachsen. Und Eigentum müsse geschützt bleiben, sagt OB Gotz

Von Philipp Schmitt, Erding

Das Angebot an bebaubaren Grundstücken, Häusern und Wohnungen in Erding und im Umland ist knapp, die Nachfrage ist und bleibt hoch, die Preise und auch das Mietniveau schnellen nach oben. Dieses wenig überraschende Fazit stand am Ende einer Podiumsdiskussion unter anderem mit OB Max Gotz (CSU) bei der Immobilienmesse in der Stadthalle Erding. Man war sich einig, dass Politik, Banken und Immobilienwirtschaft gemeinsam nach Lösungen suchen müssten.

"Immobilienmarkt Erding - Wo geht die Reise hin?", so lautete das Thema der Diskussion. Gotz sagte, der Druck auf den Immobilienmarkt sei enorm, auch weil der private Mietwohnungsbau "dramatisch abgenommen" habe. "Die Welle schiebt sich vom teuren München immer weiter ins Umland." Auch Michael Utzschneider, Mitglied des Sparkassen-Vorstandes, bestätigte, dass "viele Investoren auf den Erdinger Markt drücken, weil sie im teuren München nichts mehr finden". Erding biete dagegen noch Entwicklungspotenzial. Viele Grundstücke in Erding mit Baupotenzial seien allerdings nicht verfügbar, etwa weil sie Landwirten gehörten, die ihre Flächen nicht abgeben wollten - was trotz des Konfliktpotenzials respektiert werden müsse. Gotz sagte dazu, dass er die Bauern durchaus verstehen könne, denn warum sollten sie, wenn es ihnen gut geht, Flächen verkaufen, wenn sie dadurch eine hohe steuerliche Belastung hätten.

Auch von der Nivellierung der Bayerischen Bauordnung hält Gotz nicht viel: "Das löst unsere Probleme nicht." Es müsse respektiert werden, wenn Eigentümer in ihren Gärten auf großen Grundstücken wie etwa in der Freisinger Siedlung - noch - keine Häuser bauen oder abwarten wollten, bis ihre Kinder dort ein Domizil brauchen. Die Rechtssicherheit der Eigentümer sei im Grundgesetz verankert, daran solle nicht gerüttelt werden. Frederic Hack vom Mieterverein Erding erinnerte daran, dass im Grundgesetz aber auch steht, dass "Eigentum verpflichtet". Es sei aber klar, dass kein Eigentümer gegen seinen Willen zum Bauen verpflichtet werden könne. Peter Witschital von Town & Country-Haus hatte während der Diskussionsrunde wissen wollen, ob nicht doch auf die Grundbesitzer wegen der Wohnungsnot eingewirkt werden könnte, freie Flächen schneller zu bebauen.

Gotz sagte, er versuche gemeinsam mit dem Stadtrat, den Charakter und das Erscheinungsbild der Herzogstadt durch moderaten Zuzug zu erhalten: Es sei ein "brutales Signal" gewesen, findet er, den jährlichen Zuzug auf ein Prozent, also etwa 400 Neubürger, zu beschränken, damit Erding nicht aus allen Nähten platze. Die rasant gestiegenen Immobilienpreise relativierte Gotz: In der Planungsregion 14 seien die Preissteigerungen - mit Ausnahme von Erding und Starnberg - in jüngster Zeit nur noch moderat ausgefallen. "Das hat sich nivelliert." Erding habe bei den Preisen im Vergleich mit Landkreisen im Umfeld Münchens auch noch Nachholbedarf.

Hack und die Vorsitzende des Mietervereins Erding, Eva Kolenda, wiesen auf ein weiteres Problem hin: Wegen der steigenden Mieten könnten sich Senioren im Rentenalter das Wohnen in Erding und Umgebung nicht mehr leisten, viele zögen in den Bayerischen Wald. "Da sieht es düster aus, und es wird schlimmer", sagte Hack. Die Mehrzahl der Erdinger sei Mieter, was eigentlich Flexibilität bringe: Die größere Wohnung als Familie, die kleinere im Alter. Aber der Erdinger Markt sei aus den Fugen geraten und nicht mehr flexibel, Angebot und Nachfrage stünden in keinem vernünftigem Verhältnis. Mieten stiegen schneller als das Einkommen: "Da kann ein Mieter schnell in eine Schieflage geraten."

Der Immobilienmakler Karl Kainz wies darauf hin, dass im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Baugenehmigungen um fast acht Prozent gesunken sei: "Das Angebot wird knapp." Der Zuzug werde aber bleiben, Erding und das Umland seien attraktiv. Zudem sollen im Innovations-Lab am Flughafen 5000 Arbeitsplätze entstehen, was auch den Druck für den Wohnungsmarkt erhöhe. Gotz wies auf weitere Probleme hin, unter anderem auf den Mangel an Fachkräften. Um im Pflegebereich zu arbeiten, ziehen Menschen hierher, auch sie bräuchten Wohnungen: "Wir sind eine offene, plurale, bunte Stadt. Und wir sind froh, dass diese Menschen nach Erding ziehen." Aber auch Baufirmen suchten Hände ringend Personal und fänden keine Mitarbeiter: In Erding werden demnach nur noch vier Maurer ausgebildet, Handwerker sind Mangelware, weil fast jeder studieren wolle.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2019
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