Süddeutsche Zeitung

Erding:Wer immer stiehlt, dem glaubt man nicht

Richterin verurteilt 28-jährigen Angeklagten, der neun Vorstrafen hat, zu fünf Monaten Haft ohne Bewährung

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Ich weiß, dass es früher oder später ganz schlimm endet, wenn ich so weiter mache", sagte der 28-jährige Angeklagte zur Richterin Michaela Wawerla. Und deshalb werde er jetzt sein Leben ändern. Zurück in sein Heimatland fahren, zur Familie, und wo er auch wieder einen Job und eine Wohnung habe. Die Richterin solle ihm doch diese Chance geben, sagte er und auch sein Verteidiger sah dies so. Doch sowohl der Staatsanwalt als auch die Richterin am Amtsgericht Erding hatten da so ihre Zweifel, ob er dies ernst meine. Diesmal stand er wegen zweifachen Diebstahls vor Gericht. Vier Mal saß er schon im Gefängnis, und kaum war er raus, beging er schon die nächsten Taten, was sich zu neun Vorstrafen seit 2012 aufsummierte. Richterin Wawerla kam ihm zwar im Strafmaß entgegen, aber bei der Geschwindigkeit, wie er straffällig werde, und bei der Menge der Einträge im Bundeszentralstrafregister sehe sie nichts, was für eine Aussetzung der fünfmonatigen Haftstrafe zur Bewährung spreche.

Vor Gericht stand nur ein Teil eines diebischen Pärchens. Zusammen mit einer damaligen Angestellten hatte er im Drogeriemarkt Müller in Erding im März 2019 einmal Kosmetika im Wert von 336 Euro und einen Tag später von sogar 1013 Euro gestohlen. Die zweite Tat endete jedoch an der Kasse, an der er den Rucksack zwar bezahlen wollte, nicht aber den Inhalt. Beide wurden daraufhin des gemeinschaftlichen, gewerbsmäßigen Diebstahls angeklagt, da sie das Diebesgut später verkaufen wollten.

Dass die Verhandlung mehr als ein Jahr später stattfand, lag daran, dass die Staatsanwaltschaft sehr spät erst Anklage erhoben hatte. Denn nur ein paar Tage nach den Diebstählen in Erding klaute er im Oberpollinger und Saturn in München. Einmal Herrenoberbekleidung im Wert von 1580 Euro und eine Playstation für circa 400 Euro. Beim Saturn hatte man ihn aber festgenommen und das Amtsgericht München ihn im Juni zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Kaum in Stadelheim vorzeitig raus, ging es in die Untersuchungshaft nach Mühldorf am 17. März. Die späte Anklage wunderte auch Amtsrichterin Wawerla, denn eigentlich hätte man sinnvollerweise aus den vier Taten eine Anklage machen können und für alle eine Strafe aussprechen können. Zumal alle zeitlich sehr nahe lagen und es jedes Mal um Diebstahl ging. Hätte man das gemacht, wäre für den Angeklagten eine Gesamtstrafe von einem Jahr und fünf Monaten wohl herausgekommen, sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Da er schon das eine Jahr abgesessen habe, müsse er jetzt noch "ein Plus" von fünf Monaten ins Gefängnis.

Der Staatsanwalt hatte zuvor acht Monate gefordert - ebenfalls ohne Bewährung. Zuvor hatte er den Angeklagten gefragt, woher jetzt die Einsicht komme, dass sich in seinem Leben etwas ändern müsse, und warum ihm diese Einsicht nicht schon früher gekommen sei, bei einem seiner diversen Gefängnisaufenthalte. Der Angeklagte begründete dies damit, dass er mit jetzt 28 Jahren erkannt habe, dass er in seinem Leben zu viel "Blödsinn" gemacht habe. Er habe zu den falschen Leuten Kontakt gehabt und sei leicht zu beeinflussen. Dazu sei seine Spielsucht gekommen, für die er immer wieder Geld benötigt habe. Außerdem habe er einen siebenjährigen Sohn, der bei seiner Mutter in Rosenheim lebe. Auch für ihn müsse er Verantwortung übernehmen, allerdings habe er das Sorgerecht schon lange nicht mehr.

Auch für Richterin Michaela Wawerla klang alles nicht überzeugend. "Manche sagen vor Gericht alles", sagte sie. Sie glaube nicht, dass sich mit einer Bewährung viel ändern werde bei ihm. Da er eh schon einen Ausweisungsbescheid habe, könne er einen Antrag auf Reststrafenerlass stellen und dann nach Haus fahren. Jetzt aber noch nicht.

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Quelle:
SZ vom 23.04.2020
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