Süddeutsche Zeitung

Erding:Verhunzte Kunst

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Amtsgericht Erding verurteilt eine Münchner Galeristin wegen versuchten Versicherungsbetrugs zu 12 000 Euro Geldstrafe

Florian tempel

Die Schäden waren unübersehbar. An der im Gerichtssaal vor dem Richtertisch aufgestellten schwarzen Holzskulptur waren zwei Ecken abgesplittert. Die aus einem Eichenstamm gehauene, etwa 1,50 Meter große abstrakte Figur hatte zudem mehrere Dellen und kleine weiße Farbspuren an anderen Stellen. An sich waren das ja nur kleine Macken. Doch bei einem Kunstwerk ist so etwas gleich ein Totalschaden. Das kauft keiner mehr. Unbeschädigt hätte ein Sammler für das Werk des 2009 verstorbenen Frankfurter Bildhauers Hans Steinbrenner mindestens 15 000 Euro bezahlen müssen.

Auf der Anklagebank saßen nun die Münchner Galeristin, die das Werk vor Jahren zum Gewinn bringenden Wiederverkauf erworben hatte, und ein Transportunternehmer aus Pastetten. Der gegen beide gerichtete Vorwurf der Anklage lautet auf gemeinsamen versuchten Versicherungsbetrug. Der Spediteur, so die Staatsanwaltschaft Landshut, sei von der Galeristin eingespannt worden, um zu behaupten, er habe die Holzfigur aus Versehen umgestoßen und dabei fatal beschädigt. So dass dann seine Berufshaftpflicht den Wert der nicht mehr verkäuflichen Skulptur ersetzen sollte. In Wahrheit habe aber die Galeristin die wertvolle Figur selbst kaputt gemacht.

Dass an der Sache etwas nicht stimmen konnte, hatte eine von der Versicherung eingeschaltete Gutachterin herausgefunden. Die Expertin befand, es sei unmöglich, dass die Schäden durch ein einfaches Umfallen der Skulptur entstanden seien. Absplitterungen oben und unten, Dellen links und rechts, Anhaftungen weißer Wandfarbe hinten und vorne - "ich krieg es nicht auf die Reihe", wie all das bei einem einzigen Sturz zu Boden auf einmal passiert sein könnte. Der Einwand, die zentnerschwere Figur habe sich womöglich im Umfallen gedreht und sei über eine Ecke gekreiselt, zog auch nicht. Denn der Spediteur hatte klipp und klar ausgesagt, er sei im Rückwärtsgehen - er hatte im Lager der Galerie ein Bild aus einem Regal genommen und war dabei es nach draußen zu tragen - mit einem Arm, dem Bilderahmen oder dem Rücken gegen die Figur gestoßen.

Richter Stefan Priller glaubte dem Spediteur und sprach ihn frei. Der Mann habe kein Motiv gehabt, bei einem Versicherungsbetrug mitzumachen. Die Galeristin, die empört ihre Unschuld beteuerte, befand er hingegen schuldig und verurteilte sie zu 12 000 Euro Geldstrafe.

Priller legte ausführlich dar, warum er "keine vernünftigen Zweifel" habe, wie es wirklich gewesen sei: "Ich gehe davon aus, dass diese Skulptur schon vorgeschädigt war." Dafür gebe es gute Argumente. Die Schäden könnten, wie die Gutachterin überzeugend erklärt habe, unmöglich durch ein einmaliges Umfallen entstanden sein. Richter Priller war zudem aufgefallen, dass die Galeristin die abgesplitterten Holzstückchen der einen Ecke im Prozess präsentierte - jedoch keinen Holzsplitter, der in die beschädigte Ecke auf der diagonal gegenüberliegenden Seite der Figur passte. Warum? "Die Antwort ist einfach", sagte Richter Priller, die Angeklagte habe eben nur noch die Splitter vom zweiten "Schadensereignis".

Wie bei einem Autounfall, bei dem ein Fahrzeugbesitzer so ganz nebenbei einen Altschaden der Versicherung des Unfallverursachers unterschieben will, sei der tollpatschige Spediteur der Galeristin "gerade recht gekommen", als er die schon verhunzte Holzfigur umschmiss. "Die Gelegenheit war selten günstig", den bereits vorher entstandenen Totalschaden so doch ersetzt zu bekommen. Der mitangeklagte Spediteur sei in diesem betrügerischen Spiel nicht mehr als "ein absichtloses Werkzeug" gewesen, der von den bereits vorher entstanden Schäden nichts wissen konnte.

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SZ vom 08.05.2013
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