Erding:Verhängnisvolles Filmen

Erding: Moralisch verwerflich? Fotos vom Volksfest können so schön sein - aber auch einen Streit auslösen.

Moralisch verwerflich? Fotos vom Volksfest können so schön sein - aber auch einen Streit auslösen.

(Foto: Peter Bauersachs)

Die Stadt will und kann Hobbyfotografen nicht vorschreiben, welche Bilder sie auf dem Volksfest machen dürfen. Falls in Ausnahmefällen ethische Grenzen überschritten werden, soll das Sicherheitspersonal eingreifen

Von Sebastian Fischer, Erding

Übelkeit, findet Martin Regineri, sei nun wirklich kein schönes Motiv. Da höre der Spaß auf: "Das ist pietätlos". Es wird am Freitag Herbstfestbesucher geben, die im Weißbräu-Zelt etwas zu viel Bier trinken, denen schlecht wird. Und vielleicht wird es auch jemanden geben, der es lustig findet, das im Bild festzuhalten. Dann wird sich Regineri oder einer seiner Mitarbeiter vom Sicherheitsunternehmen KR-Security davorstellen. "Das unterbinden wir", sagt er. Ansonsten können die Besucher jedoch fotografieren, was sie möchten.

Fotos von fröhlichen Menschen gehören zu jedem Fest, eigentlich. Doch beim Volksfest in Ebersberg vor zwei Wochen lösten Fotos einen Streit aus: Weil er Gäste unbemerkt abgelichtet habe, stellte der Vorsitzende des Volksfestvereins, gleichzeitig Dritter Bürgermeister, in Begleitung von Sicherheitspersonal einen Mann zur Rede. Der Hobbyfotograf habe lediglich die Atmosphäre einfangen wollen, sagt er selbst. Doch er löschte die Fotos.

"Das ist eine zweischneidige Angelegenheit", sagt Anton Altmann von der Erdinger Polizei. Ein Volksfest sei ein öffentlicher Raum, gegen das Fotografieren gebe es keine rechtliche Handhabe. Es könnte aber durchaus moralisch verwerflich sein, wenn es die abgebildeten Personen bloßstelle.

Grundsätzlich, erklärt Christian Kuntze, Münchner Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, würden Fotos von Menschen dem Kunsturheberrecht unterliegen: Das Herstellen sei nur zulässig, falls der Fotografierte sein Einverständnis erkläre. Denn mit der Aufnahme ist die Voraussetzung für eine Verbreitung, etwa in sozialen Netzwerken, geschaffen. Ausnahme ist das Fotografieren größerer Menschenansammlungen - das ist ohne Einverständniserklärung gestattet. Bei Ereignissen der Zeitgeschichte überwiege jedoch die Befriedigung des Informationsbedürfnisses. So könne zwar der Veranstalter eines Volksfestes oder der Wirt eines Festzelts auf sein Hausrecht bestehen und das Fotografieren verbieten. Grundsätzlich sei ein Volksfest jedoch eine einmalige zeitgeschichtliche Veranstaltung, auf der fotografiert werden dürfe.

Regineri ist seit vier Jahren im Weißbräu-Zelt für die Sicherheit zuständig, der Vorfall aus Ebersberg überrascht ihn: So etwas habe es in Erding noch nie gegeben. Überhaupt seien Fotos bei den 35 Volksfesten, die er in seinem Berufsleben beaufsichtigt hat, eigentlich nie der Auslöser für einen Streit gewesen. Nicht einmal habe jemand versucht, Fotos von sich zu verhindern. Und falls es doch einmal der Fall sein sollte, "dann ist das bestimmt schnell erledigt, wenn man den Dialog sucht". Es sei ja ohnehin so gut wie unmöglich, das Fotografieren zu unterbinden, wenn jeder Gast nur sein Smartphone für einen Schnappschuss zu zücken brauche. Jeder Besucher müsse damit rechnen, auf Bildern aufzutauchen. Ähnlich klingt die Auskunft bei der Stadt Erding: "Das ist nichts, was wir regeln könnten oder müssten."

Bei der Polizei stehen freilich andere Probleme im Vordergrund. In diesem Jahr sollen zivile Ermittler verstärkt darauf achten, den Ausschank von Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren zu verhindern. Und auch Uwe Pianka, der Wirt des Weißbräu-Zelts, sorgt sich nicht um die Fotomotive seiner Gäste, während er am Mittwochnachmittag Geschirrlieferungen entgegennimmt: "Fotografieren kann jeder, so viel er will", sagt er. Die Sicherheitskräfte sollten sich da bloß nicht zu viel einmischen.

Auch Pianka filmt von Freitag an jeden Besucher mit mehreren Kameras. Allerdings nicht, um Videos ins Internet zu stellen. Sondern um Straftaten aufzuklären, sollte etwas passieren.

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