Süddeutsche Zeitung

Kreative Jungunternehmer:Wo es Kaviar aus dem Automaten gibt

In Hollywood gibt es das schon länger - und jetzt auch rund um Erding. Denn Corona hat Ludwig Jocher und Stefan Holzner nicht ausgebremst. Sie betreiben erfolgreich Automaten-Supermärkte mit regionalen Lebensmitteln und ein paar Besonderheiten.

Von Gerhard Wilhelm

In Beverly Hills ist es schon seit 2014 möglich, in Erding, Hörlkofen und Forstinning seit diesem Jahr: Kaviar aus dem Automaten. Aber in jenen hierzulande gibt es nicht nur Kaviar zu kaufen, sondern alles, was man braucht, wenn man Hunger und Durst hat und die Läden und Wirtschaften geschlossen sind: Es handelt sich um Automaten-Supermärkte. Auf die Idee sind der 26-jährige Ludwig Jocher aus Eching und sein 25-jähriger Freund Stefan Holzner aus Pliening gekommen.

Holzner ist seit 1. Januar 2019 Chef der familieneigenen Metzgerei Holzner in Pliening, die es seit 1925 gibt. Dort habe er schon seit dem Sommer 2019 einen Automaten betrieben - bestückt allerdings nur mit Waren aus der eigenen Metzgerei, sagt er. Auslöser für die größeren Automaten sei dann eine Erfahrung seines Freundes Stefan gewesen, der in der Band "Wiesn Buam" spielt.

"Die sind irgendwann mal um Mitternacht von einem Auftritt heimgekommen und haben dann Hunger gehabt. Aber alles war natürlich zu." Ludwig Jocher ergänzt: "Ich ess Fleisch, meine Frau ist Vegetarierin und die Kleine will ein Eis. Die Folge: Ich bin am Sonntag öfters von Automat zu Automat gefahren. Kaufen konnte man immer nur Produkte, die man aus Supermärkten kennt. Nichts für Feinkostliebhaber." Deshalb sei der Gedanke aufgekommen, selber alles an einem Ort anzubieten.

Auf die Idee mit dem Kaviar ist Ludwig Jocher gekommen. Und der Kaviar sei auch der Grund, dass sich die Automaten schnell herumgesprochen haben, wie Holzner sagt. "Kaviar war das größte Thema", ergänzt Jocher. Er habe den Kunden was Besonderes bieten wollen. "Viele kennen Kaviar nur als billigsten Rogen, der zum Beispiel auf Sushi aufgetragen wird." Jocher war zuversichtlich, dass er gekauft wird. Und er hatte recht: "Da mussten wir gar keine großartige Werbung mehr machen. Jeder redete uns darauf an, was uns denn da mit dem Kaviar eingefallen sei."

Am Anfang habe man "einen Haufen Arbeit" reinstecken müssen in die Idee, aber mittlerweile laufe es ganz gut. Vieles sei derzeit noch mehr ein "Ausprobieren". An welchem Standort läuft welches Produkt, wo nicht. Ziel sei, überwiegend Produkte aus der Region oder zumindest dem weiteren Umkreis anzubieten.

Der Käse kommt beispielsweise vom Tegernsee, Milchprodukte unter anderem von Weihenstephan, das Bier aus Erding, München oder Tegernsee. "Wir schauen, dass wir Produkte anbieten, die man nicht in jedem Supermarkt bekommt. Mittlerweile haben wir an die 30 Lieferanten. Viele sind kleine Erzeuger", sagt Jocher. Und man lasse Platz in den Automaten für regionale Produkte. "Die Leute können zu uns kommen und ihre lokalen Produkte dort einstellen."

Die beiden haben große Pläne. Mit drei Standorten im Landkreis Erding soll nicht Schluss sein. "Wir wollen schon weiter machen. Jetzt wollen wir aber erst mal an den drei Standorten heraus finden, was geht, wie wir was mit wie viel bestücken. Wie platzieren wir die Produkte, dass der Kunde sich angesprochen fühlt? Da sind wir schon noch ein bisserl am Tüfteln", sagt Holzner. Man benötige noch ein wenig Erfahrung, was die Produktpalette, das Sortiment betrifft. "Bei manchem, was ich anfangs gedacht habe, das muss gut laufen, hat sich das Gegenteil heraus gestellt", sagt Jocher. Langsam wüssten die beiden aber, "wohin die Reise führt".

Zunächst einmal führt sie an die Bodenseestraße in München sowie nach Pasing, Unterschleißheim an der B 13 und an die B 471 bei Oberschleißheim, sagt Jocher, im März ist es soweit. In den nächsten fünf Jahren wollen sie dann in ganz Bayern vertreten sein. Auch Baden-Württemberg sei im Blick, da man dort ebenfalls Abend- und Wochenendschließungen habe.

Der Vorteil der Automaten sei, dass man nicht viel Platz brauche und sie komplett genehmigungsfrei seien. Und man sei sehr mobil, da auch die Hütte um die Automaten schnell auf- und abbaubar sei. Nur ein Stromanschluss sei nötig - noch. Man arbeite aber bereits an einer Alternative durch Photovoltaik, sagt der 26-Jährige. Das größte Problem sei, geeignete Standorte zu finden. Deshalb sei er froh über jeden Grundstücksbesitzer, der sich bei ihnen melde, auch Kommunen, die ihren Bürgern eine bessere Versorgung anbieten wollen.

Mit 25 Jahren eine Metzgerei und Automaten, sein Freund Ludwig Jocher, 26, betreibt ebenfalls selbständig mehrere Apartmenthäuser in der Region München unter dem Namen "Creativ - auf Zeit - Wohnen GmbH". Für ihr Alter eher die Ausnahme. "Während meine Altersgenossen die letzten Jahre am Wochenende nur ausgegangen sind, hab ich halt geschaut, dass was vorwärts geht", sagt Holzner. "Irgendwann muss man halt anfangen."

Ein Motto, das auch Ludwig Jocher beherzigt: "Es hilft mir ja nichts, wenn ich nur jammere, weil ich vom Staat während der Corona-Pandemie nichts bekomme. Warum soll ich auf Unterstützung warten, wenn ich selber was tun kann? Anderen Leuten geht es weitaus schlimmer als uns. Deshalb war ich immer dafür: Lass uns was Neues ausprobieren."

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SZ vom 24.12.2021/vewo
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