Süddeutsche Zeitung

Erding:Strittige Erpressung mit Nacktfotos

24-Jähriger soll junger Frau gedroht haben, Aufnahmen von ihr im Internet zu veröffentlichen. Ob er sie damit zum Sex gezwungen habe, ließ sich vor Gericht nicht beweisen: Freispruch

Von Florian Tempel

Sie hatten sich vor etwa sechs Jahren über Facebook kennengelernt. Sie war damals 16, er ist zwei Jahre älter. Die beiden trafen sich nicht oft, aber wenn, dann um Sex miteinander zu haben. Sie schickte ihm im Laufe der Zeit mehrmals Nacktfotos von sich, die er auf seinem Handy speicherte. Im August 2013 mailte er sie an, ob sie wieder einmal Lust auf Sex mit ihm habe. Sie wollte nicht. Der mittlerweile 24-Jährige schrieb der 22-Jährigen zurück, dann werde er ihre Nacktfotos ins Netz stellen. Unter dem Druck dieser Drohung willigte sie in ein Treffen ein.

Er beteuerte, nachdem er die Fotos gelöscht hatte, sei es zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen gekommen. Sie sagte, er habe sie dazu mit Gewalt gezwungen und erst von ihr abgelassen, als sie sich gewehrt habe. Da es in der Aussage der Frau, die sie im Prozess in Erding unter Ausschluss der Öffentlichkeit machte, zu Widersprüchen kam, sprach das Gericht den 24-Jährigen nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten frei.

Der Angeklagte schilderte sein Beziehung zu der 22-Jährigen als "rein sexuelles Verhältnis, nichts Großartiges auf der emotionalen Ebene". Er selbst hatte nebenbei eine Beziehung zu einer anderen Frau, mit der zusammenlebte und von der er in wenigen Wochen ein Kind erwartet. Die Treffen zum Sex mit seiner Facebook-Bekannten seien fast immer über Mail-Nachrichten vereinbart worden. Am 13. August 2013 habe er sie gegen 14 Uhr kontaktiert. Der Nachrichtendialog bis zu ihrem Treffen am Sportplatz in Inning sind in den Gerichtsakten dokumentiert. In knappen Worten fragte er an, ob sie Lust auf ein "Bümserchen" haben. Sie verneinte zweimal. Daraufhin schickte er ihr eines der Nacktfotos, die sie ihm früher zugesendet hatte. Dazu schrieb er: "So schön und so dumm." Auf ihre Frage, was das jetzt solle, antwortete er: "Ich werde es veröffentlichen". Auf weitere Nachfragen schrieb er ihr: "Ja, ja, Erpressung. Sex mit dir will. Genialer Plan." Nach weiteren Hin und Her, teilte er ihr mit, "lass es noch einmal krachen und gut ist es".

Die Frau gab später bei der Kripo in Erding zu Protokoll, dass sie "total in Panik" geraten sei und "totale Angst" bekommen habe. Sie stand kurz davor, eine Umschulung zu beginnen. Was würde passieren, wenn womöglich der Chef ihres neuen Ausbildungsbetrieb Nacktfotos von ihr im Internet sehen würde? Sie habe sich gezwungen gesehen, sich mit dem Angeklagten zu treffen. Erst einmal nur in der Hoffnung, ihn im Gespräch davon zu überzeugen, dass er seine Drohung, die Fotos online zu stellen, nicht wahr mache.

Beide fuhren mit ihren Autos zum Inninger Sportplatz. Der Angeklagte sagte, er hätte ihr sofort versichert, dass er die Bilder "natürlich nicht" ins Internet stellen werde. Das sei gar nicht ernst gemeint gewesen, sondern scherzhaft. Sie hätten noch etwas gestritten, worauf er aber gar keine Lust gehabt habe, denn "wegen diskutieren bin ich nicht hier". Er ließ sie stehen und fuhr weg. Die Frau hatte bei ihrer Anzeige bei der Polizei hingegen angegeben, er habe sie erneut mit Hinweis auf die Fotos bedrängt und angefasst.

Etwa eine Viertelstunden später, als der Angeklagte schon kurz vor Erding war, rief sie ihn auf seinem Handy an und willigte nun doch in seine Forderung nach Sex ein: "Ich mach es." Er drehte um und fuhr zurück nach Inning.

Bei diesem zweiten Treffen setzten sie sich auf die Rückbank ihres Autos. Bei der Polizei sagte sie Frau, auch jetzt sei es "nicht mein Wille gewesen, etwas Sexuelles zu tun". Sie habe sich wegen der Fotos gezwungen gesehen, seine Handlungen über sich ergehen zu lassen. Sie habe das aber nicht ausgehalten und sich schließlich gewehrt, bis er mit den Worten "so macht es mir auch keinen Spaß" von ihr abgelassen habe. Der Angeklagte behauptete hingegen, sie habe ohne Widerwillen und ohne Widerstand mitgemacht. Sie hätten dann ebenso einvernehmlich aufgehört, weil keiner ein Kondom dabei hatte.

Zwei Stunden später rief die Frau einen guten Freund an, der sie "völlig aufgelöst" in ihrem Auto am Inninger Sportplatz fand und mit ihr zur Polizei fuhr, wo sie nach Einschätzung zweier Kripobeamten eine "absolut glaubwürdige" Anzeige machte.

Im ihrer Aussage im Prozess wich sie jedoch, so die Vorsitzende Richterin, in mehreren Einzelheiten von ihren ersten Angaben bei der Polizei ab. "Es gab erhebliche Widersprüche, die das Kerngeschehen betroffen haben." Das Gericht könne deshalb nicht entscheiden, "ob die Aussage der Geschädigten oder des Angeklagten glaubwürdiger" sei - und müssen ihn deswegen freisprechen. Die 22-Jährige brach nach der Urteilsverkündung vor dem Gerichtssaal weinend zusammen.

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SZ vom 10.04.2014
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