Erding:Spiegelbild prallen Lebens

Vom Todesurteil bis zum Liebesbrief: Das Erdinger Archiv wurde zweimal ein Raub der Flammen und dennoch blieben wertvolle Schätze erhalten. Stadtarchiv Markus Hiermer zieht Bilanz.

Thomas Daller

Man muss nicht wahnsinnig sein, um diesen Beruf auszuüben, aber es erleichtert die Sache ungemein", sagt Markus Hiermer, Archivar der Stadt Erding. Vor 18 Jahren hat er begonnen, die Papierberge zu sichten und zu sortieren, die sich über die Jahrhunderte dort angesammelt haben. In seinem ersten Vortrag seit 17 Jahren zog er im Museum Erding am Dienstagabend Bilanz, welche Schätze vorhanden und welche verloren gegangen sind. Vom Todesurteil bis zum Liebesbrief" spiegele sich das "pralle Leben" in den Archiven wider. Es sei das "Gedächtnis der Stadt", sagte Hiermer und jedes Dokument sei einzigartig. In erster Linie stelle er zwar der Verwaltung die benötigten Unterlagen zur Verfügung, aber es könne auch jeder Bürger zu ihm kommen, der ein lokalhistorisches oder familiengeschichtliches Anliegen habe. Eine der wichtigsten Urkunden, die Stadtgeschichte betreffend, lagert jedoch gar nicht im Erdinger Stadtarchiv, sondern nur ihr Gegenstück. Es handelt sich um ein Schriftstück vom 3. August 1303, in der eine gewisse Gertrud, "Wittib des Lederers", ihren beiden Töchtern Äcker im Geislinger Feld vermacht. Die Töchter waren Nonnen im Konvent Hohenau bei Gars am Inn und die Urkunde ist die erste, die das Siegel der Pflugschar trägt. Somit sei das Erdinger Stadtwappen eines der ältesten in ganz Bayern, sagte Hiermer. Diese Urkunde lagert in den Archiven von Altenhohenau und blieb somit verschont, als die Schweden im 30-jährigen Krieg Erding brandschatzten und das mittelalterliche Archiv großteils ein Raub der Flammen wurde. "Was vor 1632 dagewesen ist, ist ein kümmerlicher Rest", sagte Hiermer. "Die erste Phase der Archivgeschichte endete in einem Desaster." In den darauffolgenden Jahrhunderten wurden zwar wieder Unterlagen angelegt, aber viele davon landeten auf der Burg Trausnitz in Landshut, weil Erding bis 1801 zu Niederbayern gehörte. Dort kam es am 21. Oktober 1961 zu einer Brandkatastrophe, bei der ein Drittel der Archivalien komplett und ein weiteres Drittel zum Teil zerstört wurde. Bis 1906 muss das Archiv einer Rumpelkammer geglichen haben. Es gab nicht einmal ein Repetorium, ein Verzeichnis der Archivalien des Archivs. Erst als Friedrich Herbig 1906 Bürgermeister wurde "brach ein goldenes Zeitalter für das Archiv an", sagte Hiermer. Herbig übernahm das Amt des Archivpflegers und übte es 30 Jahre lang aus. Sein Nachfolger wurde der Oberlehrer Herz. Doch als Herz 1954 stirbt, kümmert sich 40 Jahre lang niemand mehr ums Archiv, bis Hiermer 1994 das Amt des Archivars übernahm. "Mi hat fast der Schlag troffa", sagte Hiermer, als er die Zustände im Archiv zum ersten Mal gesehen habe. Knapp zwei Jahrzehnte habe es gedauert, bis er Ordnung in die Sache gebracht habe, denn ständig seien ja auch aktuelle Unterlagen hinzugekommen. Doch nachdem sein Arbeitsplatz nun präsentabel ist, bietet Hiermer heute, Donnerstag, eine Führung durch das Archiv an. Sie beginnt um 16.30 Uhr im Rathaus und ist ebenfalls eine Veranstaltung im Rahmen des Geschichtsprojekts des Katholischen Bildungswerks Erding.

Markus HIermer Archivar Stadt erding

Hüter der verstaubten Schätze: Markus Hiermer Foto: Bauersachs

(Foto: wev)
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: