Süddeutsche Zeitung

Erding:Spekulanten treiben Wohnraumpreise hoch

Überall im Landkreis wird gebaut, um dem Zuzug gerecht zu werden. Doch immer häufiger werden die Häuser zur Geldanlage. Erschwingliche Wohnungen sind die Herausforderung der Politik

Charlotte Theile

Immer mehr Menschen wollen im Landkreis Erding leben. Doch vor allem beliebte Städte wie Erding und Dorfen kommen mit den Bauarbeiten kaum hinterher. Der Nachfrage gerecht zu werden, ist alles Andere als einfach: Häuser und Wohnungen werden zunehmend als Geldanlage betrachtet. Die Verantwortlichen fürchten, die Kontrolle über den empfindlichen Markt zu verlieren.

Schon eine kurze Tour durch den Landkreis zeigt: Überall ragen Baukräne in den Himmeln, Häuser werden erweitert oder neu gebaut - es scheint als gebe es hier in Zukunft unendlich viel Platz zum Wohnen. 22 Parzellen sollen am Erdinger Erdbeerfeld entstehen, "Am Grünbach" in Sankt Wolfgang sind es sogar 48. Und auch in Hohenpolding, Taufkirchen, Oberding und Wartenberg wird gebaut. In Erding will Bürgermeister Max Gotz (CSU) mittelfristig "etwa 450 Wohneinheiten" schaffen. Neben der Baustelle am Erdbeerfeld soll es auch am Poststadel und in der Haager Straße zügig voran gehen.

Ob das reicht, ist fraglich: "Wenn ein neues Objekt fertig ist, dauert es manchmal nur eine Woche, bis wieder alle Wohnungen verkauft sind", berichtet Christian Wolf, Leiter der Erdinger Hypovereinsbank. Man rechne nicht damit, dass der "Siedlungsdruck" abnehme, heißt es in einer Marktübersicht der auf Immobilien spezialisierten Bank. Grund dafür ist der Zuzug, den Erding durch die Nähe zum Flughafen, zur Landeshauptstadt München und die gute infrastrukturelle Anbindung erhält - doch nicht nur das. "Immer mehr Leute kaufen Immobilien mit hundert Prozent Eigenkapital, als Geldanlage" berichtet Bürgermeister Gotz, dem diese "Beton-Aktien", durchaus Sorgen machen: "Da sind Leute bereit, ein paar tausend Euro mehr zu bezahlen, wenn sie ein Objekt haben wollen - und treiben damit den Preis übermäßig in die Höhe."

Mit den Baumaßnahmen wolle die Stadt nun aber "Druck rausnehmen" aus einem Markt, der mittlerweile ähnlich volatil sei wie mancher Finanzmarkt. Er müsse genau überlegen, was er zu den Bau-Plänen der Stadt sage, erklärt der Bürgermeister, schnell könne man missverstanden werden, eine Schnäppchenjagd oder eine Preis-Explosion auslösen. "Wenn wir zu wenig bauen, ist das schlecht. Wenn wir so viel bauen, dass wir eine Magnetwirkung erzielen, auch." Er wolle dafür sorgen, dass Zuzügler ein geeignetes Heim finden - doch auch die Erdinger müssten sich ihre Wohnung leisten können. Bei Grundstückspreisen, die sich zuletzt auf 300 bis 750 Euro pro Quadratmeter verteuert hätten, sei das keine leichte Aufgabe. Auch die Mieten sind hoch: acht bis zwölf Euro kostet der Quadratmeter, das ist ähnlich teuer wie in den meisten Großstädten.

Doch nicht nur Erding boomt. Christian Miksch, Geschäftsleiter der Gemeinde Sankt Wolfgang, wird die Grundstücke am Grünbach ebenfalls leicht los: 20 der 48 Parzellen sind bereits verkauft, zu Preisen von etwa 235 Euro pro Quadratmeter. Vor allem junge Familien aus dem Ort werden dort wohnen. Auch in Sankt Wolfgang würden einige die Grundstücke zur Geldanlage erwerben, berichtet Miksch. Da nach wie vor Parzellen übrig sind, stört ihn das nicht: "Jeder, der ein Grundstück haben will bekommt auch eins." Bei schlüsselfertigen Eigenheim in Dorfen oder Erding sei das anders, sagt Bank-Leiter Wolf. Hier übersteige die Nachfrage das Angebot deutlich. Die Immobilien-Berater der Sparkasse sehen das ähnlich: Es fehle an bezahlbaren Wohnungen zum Kaufen und Mieten, etwa 3-Zimmer-Wohnungen oder Doppelhaushälften. Und Orte, die wie Erding und Dorfen mit der Bahn zu erreichen sind, seien besonders begehrt.

In der Gemeinde Taufkirchen dagegen sind die Grundstückspreise noch relativ moderat. Ohne Schienenanbindung und mit einer Politik, die den Immobilienmarkt dem "freien Spiel der Kräfte von Angebot und Nachfrage" ein bisschen entzogen habe, sei Taufkirchen nach wie vor ein erschwinglicher, ländlicher Raum. Wenn es nach Bürgermeister Franz Hofstetter (CSU) geht, soll es auch so bleiben: "Obwohl Taufkirchen wächst, sollen die Preise nicht explodieren. Junge Leute aus der Gegend sollen es sich leisten können, mit ihren Familien hier zu leben", sagt Hofstetter.

Ein Ziel, das eigentlich auch das deutlich teurere Erding verfolgt - doch die Stadt hat alle Hände voll zu tun, dem Zuzug gerecht zu werden. Und auch auf lange Sicht bleibt es spannend: Auf dem 380 Hektar großen Fliegerhorstgelände könnten Tausende neue Wohneinheiten entstehen. Genaueres möchte Bürgermeister Gotz dazu nicht sagen: "Es besteht die Gefahr, eine Magnetwirkung zu erzeugen." Franz Hofstetter wird deutlicher: "Wenn man da nicht aufpasst, droht eine Explosion, die keiner mehr in der Hand hätte."

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Quelle:
SZ vom 27.07.2012
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