Süddeutsche Zeitung

Erding:Soziale Defizite als Langzeitfolge

Lesezeit: 2 min

Der CSU-Arbeitskreis Schule, Bildung und Sport lädt Vertreter von Erdinger Schulen ein zum Thema "Schule und Bildung in Zeiten von Corona" zu berichten

Von Antonia Koch, Erding

Die tiefsten Spuren hat der Distanzunterricht wegen der Corona-Pandemie bei den kleinsten Schülern hinterlassen. Streite am Pausenhof lösen, werfen, fangen, lesen, rechnen und verstehen: "Es hat alles gelitten", sagte der Dorfener Grundschulleiter Gerhard Maintok bei einer Veranstaltung des CSU-Arbeitskreises Schule. Die soziale Entwicklung von Grundschülern spiele sich im ersten Jahr viel im Klassenzimmer ab. Welche Folgen das in der Zukunft habe, lasse sich nur vermuten. Die lange Zeit der Lockdowns ging an keiner Schule einfach vorbei, darin sind sich die Vertreter mehrerer Schulen im Landkreis einig.

Die Interessenten an der Veranstaltung des CSU-Arbeitskreises zum Thema "Schule und Bildung in Zeiten von Corona" fand am Montagabend im Gasthaus Pfanzelt an zwei Tischen Platz. Der Arbeitskreisvorsitzende und ehemalige Dorfener Bürgermeister Josef Sterr eröffnete die Veranstaltung mit dem Hinweis darauf, dass das Thema eines der wichtigsten sei - mit "Auswirkungen und Dimensionen, die kaum vorstellbar sind". Diese Auswirkungen seien zur schweren Belastung geworden, die ganze Schulfamilie musste sich völlig veränderten Umständen anpassen, so Sterr. "Und auch das heurige Schuljahr wird alles andere als normal", sagte Sterr.

Die Erfahrungen der Redner zeigten vor allem Auswirkungen auf das soziale Verhalten der Schüler. Maintok erklärte, wie wichtig es für die Jüngsten sei, in den Klassenzimmern zu lernen: Die soziale Entwicklung hänge sehr stark von ihrer Umgebung ab. Die Kinder bildeten in den ersten Jahren vor allem Basiskompetenzen aus, von der Fein- und Grobmotorik über den sozialen Umgang bis hin zur Begriffsbildung und zum Begriffsverständnis. Nun müsse man begriffliche Sicherheit wieder herstellen. Die Lehrkräfte versuchten, sich auf Wesentliches zu konzentrieren, um möglichst viel aufzuholen und die zeichnerische Ebene, die für die Grundschulkinder so wichtig sei, wiederherzustellen. "Wir bereiten die Kinder für die weiterführenden Schulen vor", sagte Maintok. Und dort werde man erst in ein paar Jahren die Auswirkungen der langen schulfreien Zeit sehen. "Das wird eine riesige Aufgabe, dies aufzufangen."

Ein etwas positiveres Bild zeichnete Michael Oberhofer, Leiter der Grund- und Mittelschule in Isen und CSU-Kreisrat. "Wir sind durch die Pandemie so weit gut gekommen", sagte er. Er verwies aber ebenfalls auf den sozialen Aspekt, wie auch Ursula Zettl-Bauer von der Schulleitung der Mädchenrealschule Heilig Blut in Erding. Die Schülerinnen seien von heute auf morgen in ihr häusliches Umfeld verbannt worden. Ihre "Sorgen und Ängste standen nie im Vordergrund politischer Überlegungen", was bleibende Wunden hinterlassen habe, so Zettl-Bauer. Sie forderte von der Politik mehr Engagement bei der Digitalisierung: Lehrer und Schüler bräuchten ausreichend Arbeitsgeräte. "Bayern ist stolz auf die schulische Bildung, dem müssen wir wieder gerecht werden", sagte Zettl-Bauer. Mit aller Deutlichkeit richtete sich auch Oberhofer an "ganz oben": Er fühle sich nicht maximal unterstützt. Überstanden habe seine Schule das Ganze nur, "weil wir uns zusammen selber helfen".

Wolfgang Lanzinger, stellvertretender Leiter des Gymnasiums Dorfen, erzählte von Schülern, die gern in den Präsenzunterricht zurückgekehrt seien. Auch er fürchtet die Folgen der fehlenden Grundlagenarbeit in den Grundschulen. An seiner Schule werde mit 22 Förderkursen versucht, Defizite aus Distanz- und Wechselunterricht auszugleichen und Veranstaltungen wie Studienfahrten und Schullandheime nachzuholen. Eine positive Folge von Corona sei aber die Digitalisierung, die aus seiner Sicht dazu gewonnen habe.

"Gemeinsam miteinander füreinander" war das Motto der Kreismusikschule Erding: Peter Hackel ist trotz aller Schwierigkeiten zuversichtlich, dass die Kinder das verpasste soziale Lernen aufholen können. Er verwies ebenso auf einen Vorteil von Distanzunterricht, obwohl die Ensembles ohne Präsenz nicht stattfanden: An der Kreismusikschule sei die Elternarbeit besser geworden. Aktuell ist die KMS wieder im Vollmodus. Der Präsenzunterricht ist für Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) alles entscheidend, wie er zum Ende der Veranstaltung sagte. Daher sei sein Ziel, im Zuge der Pandemie die Raumluft in Klassenzimmern langfristig zu verbessern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5449728
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.10.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.