Süddeutsche Zeitung

Erding:Schwierige Zeiten fürs Handwerk

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Viele Ladengeschäfte sind geschlossen, aber auf dem Bau wird noch weitergearbeitet. Die Soforthilfen seien zu bürokratisch, "wie bei Asterix und dem Passagierschein A38"

Von Thomas Daller, Erding

Das Handwerk lässt sich in der aktuellen Krise nicht über einen Kamm scheren: Während viele Ladengeschäfte davon sehr stark betroffen sind, arbeitet man auf dem Bau noch ohne Einschränkungen weiter. Allerdings geht auch dort bald das eine oder andere Material aus, beispielsweise Fliesen. Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger sieht die Zukunft "vorsichtig pessimistisch". Er geht davon aus, dass die Zahl der Aufträge abnimmt, weil potenzielle Kunden aus Angst vor eigener Kurzarbeit ihr Geld zurückhalten. Außerdem würden die Soforthilfen der Bundesregierung nicht so unbürokratisch greifen, wie versprochen: "Da kommt man sich manchmal vor wie Asterix und Obelix mit dem Passierschein A 38."

Das Handwerk sei eigentlich "relativ zäh", sagt Waxenberger. Das habe man 2008 in der Bankenkrise gesehen, in der man "auf kleiner Flamme" weiter gearbeitet habe. Dieses Mal aber werde es den Mittelstand "ein wenig ausdünnen". Gefährdet seien vor allem Ladengeschäfte. Für die Zukunft beispielsweise von Nagel- und Fußpflegestudios sieht er eher schwarz. Aber auch Bäcker und Metzger, die weiterhin geöffnet haben, würden Umsatzeinbußen verzeichnen. "Die werden eh immer weniger."

"Auf dem Bau wird noch voll Stoff gearbeitet", sagt Waxenberger. Dort komme man auch mit den Auflagen gut zurecht. So fahre man nicht mehr gemeinsam im Kleinbus zur Baustelle, sondern mit mehreren Fahrzeugen. In den Pausenräumen, den Containern, achte man auf Abstand; die Mitarbeiter seien alle gut informiert und würden sich auch daran halten. Natürlich komme es gelegentlich zu Unterschreitungen des Mindestabstands, wenn man beispielsweise zu zweit "ein schweres Trumm" heben müsse.

Aber über die Rohbauphase hinaus sieht Kreishandwerksmeister Waxenberger auch hier Probleme auf die Branche zukommen, weil der Zulieferbetrieb eingeschränkt sei: "80 Prozent unserer Fliesen kommen aus Italien, ein kleiner Teil aus Spanien. Da geht derzeit nichts mehr." Der eine oder andere Fliesenleger habe sicher noch einen Vorrat, aber die von den Kunden gewünschte Auswahl sei nicht mehr gegeben.

In dieser Situation seien viele Betriebe dann doch auf die Soforthilfen der Bundesregierung angewiesen. Aber man müsse dabei erst einmal die eigenen liquiden Mittel aufbrauchen und die Hilfen kämen auch nicht so unbürokratisch wie versprochen. Insbesondere bei der Agentur für Arbeit und der Kreditanstalt für Wiederaufbau komme man sich manchmal vor wie Asterix und Obelix, die in der Präfektur ein Antragsformular für den Passierschein A 38 bekommen wollen.

Lobend erwähnt Waxenberger die Arbeit der Kammern und Verbände in der Krise. Es gebe viel Informationsmaterial, wie man sich verhalten solle. Und die Betriebe würden das auch umsetzen, beispielsweise vor häuslichen Reparaturaufträgen anfragen, ob sich Personen im Haushalt befänden, die Krankheitssymptome hätten. "Die wollen auch ihre Mitarbeiter nicht gefährden."

Der Kreishandwerksmeister betonte auch, dass er die geltend Beschränkungen für notwendig und richtig erachte. Auch die gesellschaftliche Solidarität sei zu spüren. Aber es sei eine Frage der Zeit, bis die "Kacke am Dampfen" sei und Betriebe in Insolvenz gingen. Dass man nach dem 19. April wieder schrittweise zur Normalität zurückkehren werde, dafür fehle ihm der Glaube. "Ich bin kein Mediziner, aber ich denke, dass sich das Virus nicht an das Datum hält." Und die Gefahr einer zweiten Infektionswelle sei nach allem, was man höre und lese, doch sehr groß.

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SZ vom 03.04.2020
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