Süddeutsche Zeitung

Erding:Schwammerl-Mast ist ungesund

Schwammerl-Verzicht wegen Tschernobyl? Dann müssen Sie auch bei Wildbret aufpassen. Die Tiere fressen, was ihnen schmeckt. Im Landkreis Erding sind bisher aber keine kontaminierten Wildschweine aufgetaucht.

Thomas Daller

25 Jahre nach dem Gau von Tschernobyl strahlt noch jede fünfte Wildsau in Bayern. Wenn die Proben mit mehr als 600 Becquerel pro Kilo belastet sind, darf das Wildbret nicht in den Handel gelangen. Die Jäger müssen es entsorgen und erhalten dafür Entschädigungen vom Bundesverwaltungsamt. 425.000 Euro sind bundesweit im vergangenen Jahr an Steuergeldern dafür aufgewendet worden.

Im Landkreis Erding kommt von diesem Geld allerdings kaum etwas an: Die Wildschwein-Population ist sehr gering, und als die radioaktive Wolke aus Tschernobyl am 30. April 1986 Deutschland erreichte, kam es im Landkreis Erding nur vereinzelt zu lokalen Niederschlägen.

"Als Jäger stehen wir für das Wildbret in der Produkthaftung, und deshalb sind wir auch wachsam bei den Messungen", sagte Thomas Schreder, Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Erding. "Die Cäsiumbelastung betrifft zu 99 Prozent das Schwarzwild." Das hänge mit den Ernährungsgewohnheiten der Wildschweine zusammen, die sich gerne von Pilzen ernähren. Pilze sind immer noch belastet, und dadurch kann sich das Cäsium 137 im Schwarzwild anreichern.

Die Ausbreitung der Wildschweine im Landkreis Erding ist jedoch gering: Von den 42.400 Wildschweinen, die im vergangenen Jahr in ganz Bayern erlegt wurden, stammten lediglich 53 Sauen aus den Erdinger Revieren. "Unsere Schwarzwild-Strecke ist relativ unbedeutend", sagte Schreder.

Dennoch werden auch diese Tiere stichprobenartig untersucht. "Da kommen 500 Gramm zerkleinertes Muskelfleisch in einen Bleibecher, Deckel drauf, Kabel angeschlossen - und nach 15 bis 20 Minuten sieht man auf dem Display das Ergebnis." Die Grenzwerte seien seines Wissens noch nie überschritten worden: "Ich kenne keinen Fall, bei dem eine Sau aus dem Landkreis Erding entsorgt werden musste." Schreder schränkte jedoch ein, dass ihm nicht jeder Einzelfall bekannt sei: "Das liegt in der Eigenverantwortung des Revierinhabers. Wer Schwarzwild vermarktet, muss es aber immer einer Trichinenschau unterziehen und den Nachweis erbringen, ob es belastet ist."

Tschernobyl-Regen hat Erding verschont

Schreder erklärte die relativ geringe Belastung damit, dass die radioaktive Wolke am 30. April 1986 den Landkreis Erding weitgehend von Niederschlägen verschont habe: "Südlich, östlich und westlich hat es viel geregnet, beispielsweise im Ebersberger Forst. Wir waren auch betroffen, aber nicht in dem Ausmaß wie andere Bereiche." Am stärksten hat es damals die Landkreise Berchtesgaden, Garmisch-Partenkirchen und Augsburg erwischt.

Wildbret vom Reh aus dem Landkreis Erding sei fast unbelastet. "Das Reh ernährt sich ganz anders", sagte Schreder. "Es frisst nur frisches Grün." Die Werte, die man bei Rehfleisch ermittele, lägen unter einem Bequerel pro Kilogramm. Rehfleisch wird von den Jägern deshalb seit Beginn der Jagdsaison am 1. Mai auch gezielt als gesundes Nahrungsmittel aus der Region vermarktet. Der Kreisjagdverband gibt Auskunft, welche Jäger im Landkreis Rehfleisch zum Verkauf anbieten.

Dass der Landkreis Erding bei der Cäsium-Belastung relativ glimpflich davongekommen sei, liege neben der geringen Niederschlagsmenge nach dem Tschernobyl-Gau auch an der Struktur, erläuterte Schreder: "Wir haben einen Forstanteil von lediglich zwölf Prozent." Das sei sehr wenig. Und im landwirtschaftlichen Bereich werde das Cäsium durch Grünschnitt und Feldfrüchte immer wieder abgeerntet und so die Kontamination verringert. Anders sei das im Waldkreislauf, wo sich das Cäsium in Blättern und Nadeln halte, die dann auf die Erde fielen und Radioaktivität erneut in den Boden gelange.

Ein paar Wildsauen mit zu hoher Belastung landen dennoch im Landkreis Erding und zwar im Entsorgungsbetrieb Berndt in Oberding. Deren Tierkörperverwertung ist auch Anlaufstelle für Jäger aus dem Ebersberger Forst. Nach Angaben des Betriebs werden diese Tiere dann zerstückelt und größeren Chargen beigemischt, die dann schließlich nach Waldkraiburg gefahren werden, wo sie in der dortigen Verwertungsanlage verbrannt werden. Die Menge der verstrahlten Tiere halte sich jedoch in Grenzen: "Das sind nur ein paar pro Jahr."

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SZ vom 11.05.2011/infu
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