Erding:Realitätsverlust nach Rauferei

Ein Erdinger soll nach einem Besuch am Weihnachtsmarkt Polizisten angegriffen haben. Vor Gericht bestreitet er die Vorwürfe - der Richter ordnet eine psychiatrische Untersuchung an.

Florian Tempel

Die Erwartung des Richters war, dass der 46-jährige Angeklagte eine wie auch immer geartete Erklärung für seinen Ausraster geben würde. Oder dass er sagen würde, er könne sich an nichts mehr erinnern. Was angesichts seiner massiven Alkoholisierung zur Tatzeit mit rund drei Promille nachvollziehbar gewesen wäre. Doch der arbeitslose Friseur aus Erding beteuerte in seinem Prozess am Amtsgericht steif und fest, er habe "überhaupt nichts gemacht": Er habe sich nicht mehreren Polizisten widersetzt, die ihn aus einem Taxi zogen.

Er habe auch nicht nach ihnen gespuckt, nicht nach ihnen getreten, sie nicht mit Kopfstößen attackiert und auch nicht einem der Beamten mit der Hand die Genitalien gequetscht. Nichts von all dem, was drei Polizeibeamte und ein Taxifahrer als Zeugen vor Gericht aussagten, sei wahr. Richter Wolfgang Grimm zog daraus seine Konsequenz. Er ordnete eine Untersuchung des Geisteszustands des Angeklagten durch einen Psychiater an.

An Weihnachten vergangenen Jahres hatte der Angeklagte zusammen mit seiner Freundin den Weihnachtsmarkt am Münchner Flughafen besucht. Für den Heimweg trennten sich die beiden jedoch. Der Angeklagte wollte sich ein Taxi nehmen. Am Taxistand am Munich Airport Center (MAC) stand aber keines bereit. Der Angeklagte lief torkelnd über die Fahrbahn, wild gestikulierend und brüllend.

So fiel er einem Polizeibeamten auf, der an seinem Bürotisch in der Wache am MAC saß. Der Polizist schaute aus dem Fenster und sah den wild gewordenen Betrunkenen auf die Straße stürzen. Autos musste ausweichen, um ihn nicht zu überfahren.

Völlig ausgerastet

Zusammen mit zwei Kollegen ging der Beamte schnell hinunter auf die Straße. Der Besoffene hatte mittlerweile ein freies Taxi aufgehalten und sich auf den Beifahrersitz fallen lassen. Der Taxifahrer war völlig überrascht. Sein Fahrgast reagierte nicht auf die Frage, wohin es denn gehen sollte, sondern habe nur "fahr zu, fahr zu" gesagt. Auch die Polizeibeamten waren perplex. Der Angeklagte, der sein Fenster heruntergelassen hatte, habe auch auf ihre Fragen in keiner Weise reagiert. Dafür habe er immer wieder aus dem Fenster einen Frauennamen und "ich liebe dich" raus gebrüllt.

Die Polizisten fragten den Taxifahrer, ob er den Mann fahren wollte. Das wollte er verständlicherweise nicht. Die Polizisten eröffneten dem Betrunkenen, er solle aussteigen. Doch er weigerte sich. Als die Beamten ihn schließlich packten und mit Gewalt herauszerrten, hielt sich der renitente Trunkene so lange an der Mittelkonsole des Taxis fest, bis sie abriss. Dann sei er völlig ausgerastet, berichteten die Polizisten. Als sie den spuckenden, schlagenden und tretenden Mann am Boden gefesselt hatten, begann er seinen Hinterkopf gegen den Boden zu hauen, bis er am Kopf blutete. Erst ein Kollege in Zivil habe ihn beruhigen können. Sanitäter brachten ihn schließlich ins Krankenhaus nach Erding.

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