Erding:Passt nicht

Viele Asylbewerber finden beim Einkleidetag in der Berufsschule keine Anziehsachen. In den umliegenden Landkreisen verteilen die Behörden Gutscheine für Geschäfte oder Bargeld

Von Florian Tempel

Erding - Der amtliche Terminus für die Prozedur heißt "Bekleidungsgewährung". Das trifft es sehr gut. Einkaufen ist etwas anderes. Die im Landkreis Erding lebenden Flüchtlinge müssen zweimal im Jahr an einem bestimmten Tag zu festlegten Zeiten in eine Schulaula kommen. Im September 2013 war es die Aula des Korbinian-Aigner-Gymnasiums, diesmal findet die Bekleidungsgewährung am Donnerstag und Freitag in der Erdinger Berufsschule statt. Die im Untergeschoss gelegene Aula ist ein trister Saal. Die Fensterfront ist mit verdunkelten Scheiben verglast. Als Pressevertreter kommen, um einen Blick durch die Fenster zu werfen, werden schwarze Vorhänge vorgezogen und die Eingangstür zum Vorraum wird geschlossen. Der Einkleidetag in der Aula der Berufsschule "ist keine öffentliche Veranstaltung", hat die Pressesprecherin des Landratsamtes bereits am Vortag betont.

In der Aula haben Mitarbeiter einer auf die Einkleidung von Flüchtlingen spezialisierte Firma aus dem hessischen Heppenheim alle Arten von Klamotten ausgebreitet. Jacken hängen an Kleiderstangen. T-Shirts, Unterwäsche, Schlafanzüge, Socken und vieles mehr liegt in Waschkörben auf Schultischen. Kleine gelbe Preisplakate zeigen an, was wie viel kostet: Ein Kinder-Jogginganzug 14,50 Euro, eine Männerjeans 29,00 Euro, Erwachsenen-Badeschuhe 4,20 Euro. Die Flüchtlinge, die sich aus dem bescheidenen Angebot ihre Kleidung für das Sommerhalbjahr auswählen sollen, haben kein Geld, um das zu bezahlen. Sie haben vom Landratsamt ein Schreiben bekommen, in dem ihnen ein Betrag genannt wird. Einem erwachsenen Mann werden 164,90 Euro gewährt. Das reicht zum Beispiel für zwei Hosen, ein Paar Schuhe, ein Polo-Shirt, einen Pyjama und eine Trainingsjacke. Mit den Sachen gehen die Flüchtlinge an die Quasi-Kasse. Dort wird zusammengerechnet, ob sich das alles auf 164,90 Euro addieren lässt. Sind noch ein paar Euro drin, gibt es einen Ratschlag: Man könnte doch noch ein paar Socken mitnehmen. Der Einkauf kommt in eine weiße Plastiktüte.

Nicht jeder wird fündig. Die Großen und die Kleinen haben es nicht leicht, etwas Passendes zu finden. Ein sehr großer, kräftiger Mann steht draußen vor der Berufsschule und schüttelt den Kopf. Wie im vergangenen Jahr bei der Wintereinkleidung war wieder kaum etwas für dabei. Eine Familie mit vier Kindern hat nicht viel Passendes für die zwei mittleren Kinder gefunden. Ein Mutter mit einem Kleinkind ist am Vormittag, ohne etwas zu nehmen, wieder abgezogen, berichtet eine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin. Dem Ratschlag, sie solle doch größere Größen für ihr Kind nehmen, wollte sie nicht folgen. Sie wollte Kleidung, die sie ihrer Tochter jetzt anziehen kann, und nicht Pullis mit Ärmeln, die weit über die Finger des Mädchens hinausgehen.

Einige Flüchtlinge gehen gar nicht zur Bekleidungsgewährung. Eine Familie war vom Landratsamt für den Donnerstagvormittag eingeteilt worden, sagt ein Mitglied der Aktionsgruppe Asyl. Ihre Kinder hätten für die Einkleideaktion den Schulbesuch versäumt. Erwachsene Flüchtlinge hätten, um den Termin einzuhalten, der ihnen vom Landratsamt mitgeteilt wurde, ihren Deutschkurs sausen lassen müssen. Eine Gruppe von etwa zehn jungen Männer hat ein Schreiben im Landratsamt abgegeben, in dem sie darum bitten, Gutscheine für richtige Bekleidungsgeschäfte zu erhalten, um dort Kleidung zu erwerben.

So wie es das im Landkreis Erding schon einmal gab, im Jahr 2012. So wie das andernorts üblich und normal ist. In allen Nachbarlandkreisen gibt es keine Einkleidetage. Überall um Erding herum gibt es Gutscheine, die in echten Geschäften eingelöst werden können. In Ebersberg wird, noch einfacher, der Kleidergeldbetrag bar ausgezahlt. Das Landratsamt Erding hat das Gutscheinsystem abgeschafft, weil es Klagen aus Geschäften gegeben habe. Außerdem sei es Gesetzeslage: Es gelte nach wie vor das "Sachleistungsprinzip".

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