Erding:Oxidrot die eine, extravagant der andere

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Die Fassade der Schrannenhalle und der Gruber-Neubau polarisieren. Doch neben dem persönlichen Geschmack stellt sich die Frage, was diese Gebäude für den Erdinger Ensembleschutz bedeuten

Mathias Weber

Von allen Seiten gute Sicht: Die neugestaltete Schrannenhalle ist nicht zu übersehen. Viele Erdinger stören sich an ihrer Fassade - die Oxidrot genannte Farbe ist ein starker Gegensatz zur vorherigen braun-weißen Farbgestaltung. Doch was viele nicht wissen: Schon vor einem Jahrhundert war die Halle rot. (Foto: Renate Schmidt)

Zwei große Bauprojekte in der Erdinger Innenstadt führen weiterhin zu Kontroversen bei den Bürgern. Zum einen die restaurierte Schrannenhalle, die morgen offiziell eingeweiht werden soll. Der Bauherr, die Sparkasse Erding-Dorfen, hat die Fassade in Oxidrot streichen lassen - eine auffällige und ungewohnte Farbe, im Gegensatz zur vorherigen grau-braunen Bemalung. An exponierter Stelle direkt am Schrannenplatz kann kein Erdinger das Gebäude ignorieren.

Ein wenig abseits liegt der Neubau des Gewandhauses Grubers. Der befindet sich zwar Am Rätschenbach, versteckt von den Hauptwegen, polarisiert allerdings mit seiner für die Altstadt einzigartigen zeitgenössischen Architektur. Der Erdinger Künstler Rudolf L. Reiter, der sein Atelier fast gegenüber dem Neubau hat, äußert sich in ironischem Tonfall über das moderne Gebäude. Er sagt, so etwas gehöre eher auf ein offenes Feld als in eine Innenstadt: "So wirkt es nicht richtig." Die Architektur findet er nicht schlecht, aber es würde eher nach Manhattan passen. Doch Bauherr Hugo Gruber habe Weitsicht bewiesen: "In 200 Jahren kann man vielleicht ein Kunstmuseum rein machen." Und Gruber selbst gibt zu: "Der Bau polarisiert."

"Ein subjektives Element ist bei Bauvorhaben nicht ganz auszuschließen", sagt Kreisheimatpfleger Hartwig Sattelmair und meint damit: Geschmack ist Ansichtssache. Doch gibt es auch staatliche Stellen, die nach rationalen Gesichtspunkten solche Bauvorhaben begutachten, beurteilen und absegnen müssen. Für den Gruber-Bau und die Schrannenhalle waren dies das Landratsamt (seitdem Erding zur Großen Kreisstadt erklärt wurde, ist die Kommune nun selbst zuständig) als Genehmigungsbehörde. Vor einer solchen Zulassung geben, wie Sattelmair erklärt, die Denkmalbehörden ihr Urteil ab. Denn die Erdinger Altstadt steht seit den siebziger Jahren unter Ensembleschutz.

Der Ensembleschutz ist ein denkmalhistorischer Graubereich. Darunter versteht man das Zusammenspiel von verschiedenen Baudenkmälern, Straßen und Grünflächen, die eine Einheit bilden, berühmte Ensembles sind beispielsweise die mittelalterlichen Altstädte von Nördlingen, Rothenburg ob der Tauber oder Regensburg. Ein Eingriff in das Ensemble durch einen Abriss oder einen Neubau ist möglich, der Charakter des Ensembles darf dabei aber nicht zerstört werden. Kreisheimatpfleger Sattelmair sagt, es gebe grundsätzlich zwei Möglichkeiten in einem solchen Ensemble wie Erding zu bauen: Zum einen könne man historisierende Gebäude errichten, also im Stil der Umgebung. Oder man baue im Stil der Gegenwart, sodass man die jeweilige Epoche ablesen kann.

Hugo Gruber wollte letzteres: Er berichtet von intensiven Diskussionen und Abstimmungsprozessen mit den zuständigen Denkmalschutzbehörden - sowohl der Erdinger Unteren Denkmalschutzbehörde, die dem Landratsamt angegliedert ist, als auch dem Landesamt für Denkmalpflege in München. Gruber sagt: "Der Denkmalschutz hat es mir schwer gemacht". Eine Reihe von alternativen Planungen seien angedacht worden, bis man sich schließlich auf die jetzt gebaute Form eingelassen habe. Historisierend hätte man bauen können, sagt Gruber: "Lochfassade, Giebelhäuser, das wäre den Denkmalschützern recht gewesen."

Aber, so sagt Gruber, er habe einen guten Draht zu den Beamten gehabt, war bereits bei anderen Bauvorhaben mit ihnen in Kontakt. Schließlich habe er schon einige Gebäude an anderen Standorten restauriert, auch Gebäude im historisierenden Stil ganz neu gebaut. Daher sei es an der Zeit gewesen, dass er auch einmal modern bauen dürfe. So hat es dann geklappt: An die Fluchtlinien und Traufhöhen habe sich der Bauherr gehalten, der Denkmalschutz hat am Ende zugestimmt.

Ebenso wie bei der Schrannenhalle, deren Farbgestaltung keine Idee des 21. Jahrhunderts ist. Wie der Architekt Werner Rotter sagt, habe man beim Untersuchen der Fassade die ersten Farbschichten gefunden. Ende des 19. Jahrhunderts war die Halle dunkelgrün, danach in Oxidrot gestrichen - der Farbe, die sie auch jetzt wieder bekommen hat. Die Farben, in denen damals die Bänder und der Sockel gestrichen waren, hat man hingegen bei der Neugestaltung nicht aufgegriffen. Sie waren in braun gestrichen - und rosa.

© SZ vom 09.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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